Islands erfolgreichster Fotograf Ragnar Axelsson (Rax) im Interview

Nicht ohne Grund hat der Präsident der Republik Island, Ólafur Ragnar Grímsson, bei seiner Rede anlässlich der Ausstellungseröffnung von Fjallaland / Behind the Mountains in der Harpa den Fotografen Ragnar Axelsson (Rax) auf eine Stufe, die höchste Stufe isländischer Künstler, mit dem Nobelpreisträger für Literatur Halldór Laxness und Islands berühmtestem Maler Jóhannes Sveinsson Kjarval gestellt. Der sympathische Fotograf ist auch international der erfolgreichste und vielleicht angesehenste seiner Zunft in Island.

Die beiden zuletzt erschienen, fänomenale Bildbände von Ragnar Axelsson (Rax), ©Sabine Burger, Alexander Schwarz, 2013-08-26__MG_1395_00026
Die beiden zuletzt erschienen, fänomenale Bildbände von Ragnar Axelsson (Rax)

In diesen Tagen erscheint das neue, monumentale Fotobuch von Ragnar Axelsson in der isländischen und englischen Ausgabe Fjallaland (Bergland) bzw. Behind the Mountains, und erscheint eine erweitere Neuauflage seines Bestsellers Die letzten Jäger der Arktis (auf Englisch Last Days of the Arctic) mit einer ganzen Reihe zusätzlicher und neuerer Fotos. Außerdem läuft von Ragnar Axelsson, auch kurz Rax genannt, gerade eine Ausstellung im Deutschen Zeitungsmuseum in Saarbrücken und in der Harpa in Reykjavík.

InReykjavik.is sprach mit dem Fotografen in den Räumen seines isländischen Verlags Crymogea über sein Werk, was ihn antreibt, seine Fotoausrüstung und warum er übersättigte Fotos nicht mag.

„Ich bin eigentlich immer glücklich, weil ich nie etwas erwarte. Als Kind schon hatte ich den Traum, dass ich entweder Fotograf oder Pilot werden wollte. Ich wurde Fotograf, arbeite in dieser Funktion immer noch bei der größten Tageszeitung Islands, mache meine eigenen Projekte mit den Fotobüchern – und bin Pilot. Ich liebe es, mit einer kleinen Maschine über Island zu fliegen und zu fotografieren. So kann ich beides auch miteinander verbinden. Ich hatte jahrelang so ein einmotoriges Flugzeug, bei dem man die Flügel hochklappen konnte. Auf diese Art und Weise konnte ich erst ein Stück mit dem Auto und Hänger mit dem Flieger hintendrauf fahren und dann an einer der kleinen Pisten die es in Island gibt, in den Flieger umsteigen. Heute teile ich mir mit ein paar Leuten in unserem Fliegerklub ein Flugzeug.“

Seine Augen leuchten fröhlich, er strahlt die sympathische Ruhe und Bescheidenheit aus von jemandem, der extremste Situationen für seine Berufung überstanden und das Vertrauen hat, dass er in dem was er tut, ein Meister seines Fachs ist. Und dass seine Bilder für sich sprechen.

Der Fotograf Axel Ragnarsson, ©Sabine Burger, Alexander Schwarz, 2013-08-22__MG_0430_00035
Der Fotograf Axel Ragnarsson

„Selbstverständlich möchte ich mit dem Fotografieren weitermachen, sowohl für die Zeitung, als auch mit neuen Büchern. Die Arbeit für die Zeitung hat sich im Laufe der Zeit allerdings stark verändert. Früher wurde man auf Reisen geschickt, um gute Fotoreportagen zu machen. Aber seit dem Beginn der Wirtschaftskrise 2008/2009 gibt es das eigentlich nicht mehr. Und ich frage mich schon, wohin die Medienwelt eigentlich hinsteuert. Warum werden nur immer mehr Fotos von Sternchen und Stars gezeigt, ob sie jetzt etwas geleistet haben oder nicht? Was tatsächlich passiert, was tatsächlich wichtig wäre, etwa vor Hunger sterbende Kinder in Afrika, das wollen die Medien nicht mehr zeigen. Für die echte Fotoreportage ist fast kein Platz mehr. Was würde Jesus heutzutage tun, um seine Botschaft rüberzubringen? Wohl am ehesten coole Fotos in die sozialen und nicht die herkömmlichen Medien setzen.“

Was Rax auszeichnet und auch beim Betrachten seiner Bilder deutlich wird: Hier kommt nicht mal kurz jemand vorbei und macht mal ein Foto. Seine Dokumentationen sind die Ergebnisse harter, jahrelanger, ja mitunter jahrzehntelanger Arbeit. Er beobachtet nicht nur, er nimmt teil. Er geht mit aufs ewige Eis, mit auf die Eisbärenjagd, er geht zu Pferde und zu Fuss mit auf den Schafabtrieb, er arbeitet mit, begibt sich in die gleiche Gefahr, lebt mit den Menschen, die er dokumentiert. Viele sind seine Freunde geworden. Weil er nicht über sie urteilt, sondern sie respektiert, so wie sie sind. Und sie auch zeigt, so wie sie sind.

„Ich wusste, dass ich dieses Foto so nur in diesem Moment machen konnte. Also musste ich so schnell wie möglich durch das kalte Wasser waden. Den Rest des Tages hatte ich nasse Beine und war mir ziemlich kalt. Den Schmerz habe ich ienen halben Tag gefühlt, das Foto bleibt wesentlich länger.“ ©Sabine Burger, Alexander Schwarz, 2013-08-26__MG_1306_00010
„Ich wusste, dass ich dieses Foto (in Behind the Mountains) so nur in diesem Moment machen konnte. Also musste ich so schnell wie möglich durch das kalte Wasser waden. Den Rest des Tages hatte ich nasse Beine und mir war ziemlich kalt. Den Schmerz habe ich einen halben Tag gefühlt, das Foto bleibt wesentlich länger.“

„Wenn ich etwas mache, dann setze ich das normalerweise auch durch. Das habe ich auch schon als Kind gemacht. Ich habe mit ein paar Kumpels bei uns im Viertel unheimlich gerne Fussball gespielt, es gab aber noch keinen Klub in Árbær, meinem Stadtteil. Also habe ich mit meinen Freunden einen gegründet: Die erste Mannschaft von Fylkir spielt jetzt sogar in der höchsten isländischen Spielklasse, sozusagen der Bundesliga.
Wenn ich etwas erreichen möchte, ist es mir egal, wie lange es dauert. Ich glaube, ich muss mindestens 200 Jahre alt werden, um noch alles, was ich machen möchte, auch tatsächlich noch fertigstellen zu können.
An Fjallaland / Behind the Mountains habe ich zwei Jahre gearbeitet, nachdem ich die Fotos geschossen hatte. 25 Jahre Fotomaterial durchforsten, auszuwählen, in eine Anordnung zu bringen, die eine Geschichte erzählt, das braucht halt seine Zeit, wenn man ein qualitativ hochwertiges Produkt anbieten möchte.
Ich verliere nicht gerne, und wenn ich ein Foto im Kopf habe, dass ich gerne machen möchte, dann setze ich auch alles daran, dass ich das schaffe. Da stehe ich dann halt auch mal um 3:00 Uhr morgens für ein Foto auf. Und wenn ich dann zu Hause sehe, was mir mal passiert ist, dass das Foto nicht scharf ist, fahre ich eben nochmal zurück, um das Foto, wie ich mir das vorschwebte, doch noch zu haben.“

Der Präsident der Republik Island, Ólafur Ragnar Grímsson, würdigt Ragnar Axelsson bei seiner Rede anlässlich der Ausstelliungseröffnung in der Harpa. ©Sabine Burger, Alexander Schwarz, 2013-08-23__MG_0676_00005
Der Präsident der Republik Island, Ólafur Ragnar Grímsson, würdigt Ragnar Axelsson bei seiner Rede anlässlich der Ausstelliungseröffnung in der Harpa.

Rax wurde im Lauf seiner Karriere mit Preisen geradezu überhäuft. Alleine in Island erhielt er mehr als 20 Preise. Außerdem erhielt er den Grand Prix des Festival Photo de Mare in Vannes und erhielt 2001 eine Ehrenvolle Vermeldung beim Oskar Barnack Preis, den man vielleicht den Oscar in der Fotografiewelt nennen könnte.
Sein Werk wird seit 1990 in Ausstellungen in vielen Ländern Europas und den USA gezeigt.

„Ich arbeite mit Canon- und Leica-Kameras. Für Canon bin ich Botschafter, und auch mit Leica habe ich sehr gute Kontakte, sie sind sehr behilflich. Im Oktober präsentiert Leica sogar einige meiner Werke weltweit in einer Ausstellung in ihren Leica Galerien.“

Dass Leica das Werk Ragnars besonders hoch einschätzt, zeigt sich auch in der Tatsache, dass der deutsche Premiumhersteller von Messsucherkameras auf seiner eigenen Website zur Demonstration der Qualität des SummiluxM 1:1,4/50 mmm Asph.-Objektivs ein Foto von Rax verwendet.

„Ich habe schon als Kind mit einer Leica fotografiert, mit der Leica 3G meines Vaters. Und wenn man einmal mit einer Marke anfängt zu fotografieren, dann bleibt man auch dabei. Das ist wie mit einer Fussballmannschaft. Einmal Fan, immer Fan, man wechselt dann nicht einfach die Farben.“

„Als alles noch auf Film war, habe ich, wenn ich unterwegs war, abends immer Zeichnungen gemacht, von den Fotos, die ich an diesem Tag geschossen habe. Meine Inuitfreunde haben sich im Zelt dann fast nicht mehr eingekriegt vor Lachen. Ich bin halt kein echter Zeichner, und so werden zwei Bergspitzen auch im Gefrierschrank der Eiswüste Grönlands gerne mal als etwas anderes interpretiert.“

Ein grönländischer Jäger nähert sich einem Eisbären (Ragnar Axelsson – Last Days of the Arctic, Leica Monochrom), ©Sabine Burger, Alexander Schwarz, 2013-08-26__MG_1368_00024
Ein grönländischer Jäger nähert sich einem Eisbären (Ragnar Axelsson – Last Days of the Arctic, Leica Monochrom),

„Für meine Buchdokumentationen mache ich die Fotos am liebsten in schwarz-weiß. Mit der neuen Leica Monochrome habe ich wieder das alte Gefühl wie bei den analogen Kameras, dass ich tatsächlich wieder schwarz-weiß schieße. Ich kann nicht ein Foto in Farbe schießen und es dann in schwarz-weiß abdrucken. Das fühlt sich an wie Mogeln. Es ist ein anderes Gefühl, eine andere Intention, ob man ein Foto in Farbe oder schwarz-weiß macht, wenn man den Finger auf dem Drücker hat. Man denkt anders, hat ein ganz anderes Resultat im Kopf und da finde ich es nicht in Ordnung, das nachher einfach zu verändern.
Meine Bücher sind Dokumentationen. Da ist schwarz-weiß einfach die angesagte Wahl und die ehrlichste Art und Weise meine Fotos zu machen. Vielleicht darf man ja bei Reklamefotos betrügen, und davon wird da ja auch in allem Übermaß Gebrauch gemacht. In der Dokumentation ist das verboten. Für mich wäre es auch schon eine Mogelei, wenn ich in Farbe schießen würde und dann die Fotos in schwarz-weiß abdrucken würde.
In der neuen, erweiterten Ausgabe von Last Days of the Arctic sind darum auch einige Fotos dabei, die ich mit der Leica Monochrome gemacht habe.“

Wer sich noch darüber wundert, warum man mit einer Kamera auf Reisen geht, die nur schwarz-weiß-Bilder machen kann, der schaue sich beispielsweise das Foto auf S. 272 des genannten Buches an. Dort wird eindrucksvoll deutlich, was die Leica Monochrome in den Händen eines begnadeten Fotografen wie Rax kann. Und es wäre nicht verwunderlich, wenn Leica selbst auch dieses Foto für seine Website verwenden würde.

„Ich mag es auch nicht, was im Moment so sehr Mode zu sein scheint, wenn Bilder so übersättigt werden, dass einem die Farben nur so ins Gesicht springen. Ich drucke Farben möglichst nah an der Realität ab. In Last Days of the Arctic / Die letzten Jäger der Arktis und Fjallaland / Behind the Mountains wirst du auf den Farbfotos die Farben so finden, wie ich sie tatsächlich gesehen habe.“

Ragnar Axelsson (Rax) mit seinen beiden aktuellen Büchern udn einem Abzug für die Ausstelliung in der Harpa. ©Sabine Burger, Alexander Schwarz, 2013-08-22__MG_0394_00002
Ragnar Axelsson (Rax) mit seinen beiden aktuellen Büchern und einem Abzug für die Ausstelliung in der Harpa.

„Für meine Arbeit in Island, aber vor allem auch in Grönland, brauche ich zuverlässliche Kameras. Alleine in der Wildnis gibt es nun mal keinen Kameratechniker um die Ecke. Und die oftmals extreme Kälte stellt eine extra Herausforderung an die technischen Geräte. Meine Canon- und Leica-Kameras und Objektive waren mir diesbezüglich immer gute, verlässliche Begleiter. Dass man zusätzliche Batterien mitnehmen und diese warm halten muss, spricht für sich. Sie entladen sich einfach in der Kälte viel schneller.“

„Für mich als Fotograf ist es viel interessanter, wenn Wolken am Himmel sind und das Wetter nicht allzu gut ist. Als Fotograf mag ich schlechtes Wetter, das macht die Szenerie viel dramatischer. Nimm zum Beispiel das Foto auf S. 181 in Fjallaland / Behind the Mountains: Da sieht du nur noch den Schemen eines Mannes, der dem Schneesturm trotzt. Dabei habe ich das Foto mit einer 28mm-Linse aufgenommen, stand ihm also praktisch auf der Nase. Zudem steht das Foto auch für das nahende Ende von Þórður als Schafsbauer (siehe den Artikel über das Buch Fjallaland / Behind the Mountains). Eine Versinnbildlichung, die mit schönem Wetter so nicht möglich gewesen wäre.“

Billboard zur Harpa-Ausstellung, ©Sabine Burger, Alexander Schwarz, 2013-08-23__MG_0662_00001
Billboard zur Harpa-Ausstellung

„Natürlich mache ich meine Bücher aus einem bestimmten Grund. Ich möchte etwas deutlich machen. In einem früheren Buch, Faces of the North / Die Seele des Nordens (2004), zeige ich, wie sich der Lebensstil in den nordischen Ländern verändert, in Last Days of the Arctic / Die letzten Jäger der Arktis (2010) geht es um die Kultur der Inuit dort und wie unser Verhalten auch sie beeinflusst. Im gerade erschienen Fjallaland / Behind the Mountains zeige ich das harte Leben eines isländischen Schafsbauern und wie politische Entschlüsse ihm das Leben schwerer machen als das raue Wetter im isländischen Hochland.
Mein nächstes Projekt dreht sich um die Erderwärmung und die Konsequenzen, die auf den ersten Blick vielleicht nicht zu sehen sind.
Mal sehen, wieviel Zeit ich mit diesem Projekt verbringen werde.“

Auf der Website von Rax (englisch) kann man einige seiner Werke bewundern und direkt beim Künstler selbst Fotografien bestellen, wobei man zwischen Ausdrucken aus einem Tintenstrahldrucker auf Fine Art Fiber Papier oder von Rax selbst entwickelten Abzügen im Silbergelatineverfahren wählen kann.