Fotobuch von Ragnar Axelsson (Rax) – Behind the Mountains / Fjallaland

Er ist der international bekannteste isländische Fotografen. Die Werke des auch international vielfachen Preisträgers waren bereits und sind in vielen Ausstellungen in Europa und den USA zu bewundern. Seine Bücher sind Meilensteine, langfristige Projekte, bei denen er nicht nur als Fotograf in die Materie eintaucht und auch die Gefahr nicht scheut. Die daraus entstehenden fotografischen Dokumentationen langfristiger Entwicklungen, die so ansonsten nicht sichtbar wären, zeigen faszinierende Fotos und regen zu neuem Sehen und Denken an.

Rax – Ragnar Axelsson, ©Sabine Burger, Alexander Schwarz, 2013-08-23__MG_0698_00022-2
Rax – Ragnar Axelsson

Behind the Moutains beginnt mit Luftfotos. Das erste ist aus dem All (das einzige im Buch, dass nicht von Ragnar Axelsson, oder einfach nur kurz Rax, selbst ist) genommen und zeigt den Abschnitt der Südküste Islands, noch in einer bräunlichen Erdfarbe des Hochlands und dem weiß der Schneefelder, um den es in diesem Buch geht. Auf den folgenden Fotos, die Rax vom Sportflugzeug aus genommen hat, zeigt sich schon die Farbenfreude von Landmannalaugar, dem vielleicht schönsten Gebiet Islands, die Läufe der Gletscherströme zum Meer hin, die Eisflächen, die faszinierenden Übergänge der verschiedenen Vegetationen, der geothermalen Felder, der Täler und Berge. Diese Fotos, mit ihren spektakulären Farben und Formen wirken beinahe wie aus einer anderen Welt – und doch ist die Kamera meist senkrecht auf die Erde gerichtet: auf das geothermale, vulkanische Gebiet in und um Landmannalaugar.

Wer es schafft, sich nach einiger Zeit von diesen ersten Fotos zu lösen, dem stellt Rax die Hauptperson dieser Dokumentation vor, Þórður Guðnason. Seine Stimme ist es auch, die wir in den kurzen Texten zwischen den Fotos hören. Sie erzählen von einem Mann, der in den Bergen sein wahres zu Hause gefunden hat. Seine Geschichten sind manchmal starker Tobak zum Schmunzeln und Lachen, dann wieder sehr anrührend und zeugen immer von einer stark verbundenen Gemeinschaft, in der jeder auf jeden zählen kann, in der jeder seinen Platz hat. Von harter Arbeit, der all die Bauern so tief verbunden sind, von der Politik, die mit ihren Regeln für Þóður und seine Mitstreiter zu einem fast unüberwindbaren Hindernis für das Leben wird, das sie gerne leben möchten. Abseits von allem Luxus und Konsumstress, im Respekt und Miteinander zur und im Einklang mit der Natur.

Doppelseite des Fotobuch Behind the Mountains (Fjallaland) von Ragnar Axelsson (rax), ©Sabine Burger, Alexander Schwarz, 2013-08-26__MG_1286_00005
Doppelseite des Fotobuch Behind the Mountains (Fjallaland) von Ragnar Axelsson (Rax)

Danach nimmt uns Rax zunächst behutsam mit in die atembenehmend schöne Landschaft der südisländischen Hochebene, bald sehen wir auch schon die „Stockmänner“, zu Fuß und auf Pferden. Als Stockmänner werden diejenigen bezeichnet, die bem Schafabtrieb mitmachen. Eigentlich sind sie so eine Art Cowboy, oder besser gesagt ,Sheepboy‘. So langsam wird durch die Fotos klar, welcher Kraftakt, welche Strapazen diese Arbeit mit sich bringt und welche Gefahren sie birgt. Vor allem, wenn nach und nach das Wetter schlechter wird und die Schafe sich mal wieder hoch oben in den Bergen versteckt haben. Aber auch von der ,Lagerfeuerromantik‘, wenn die Stockmänner abends im geothermalen Pool sitzen und sich Geschichten von früher erzählen, oder wenn die Frauen, die sich unten im Tal in der Zwischenzeit um alles kümmern und wenn die Schafe dann unten ankommen kräftig mithelfen, zwischendurch ihre Pläuschchen halten.

Die poetische Ruhe der Natur und die Strapazen denen die Stockmänner ausgesetzt sind, scheinen zunächst im Gegensatz zueinander zu stehen. Vielleicht bedingt ja aber das eine auch das andere. Hier oben gibt es keinen Stress, nur Konzentration auf die Arbeit, die getan werden muss. Diese Schönheit verlangt einem zwar viel ab, und ein Nein oder Zurück gibt es hier nicht. Am Ende des Tages aber, unten im Tal, wenn die Männer im heitur pottur, wörtlich dem ,heißen Topf‘, sitzen, in dem sich kaltes Gletscherwasser mit geothermalem Wasser zu einer angenehm warmen Temperatur vermengt und zu einem ausgiebigen gemeinsamen Bad nach einem anstrengenden Tag einlädt, wie sehr die erfüllte Zufriedenheit der Bauern mit der mächtigen Natur eine Einheit formt.

Zu Beginn des Buches sieht man Þórður als jungen, begeisterten Mann, der nichts lieber tut, als in den Bergen zu sein. Seine Schafherde gibt ihm dazu die wirtschaftliche Rechtfertigung. Zu Ende des Buches, sieht man einen fast gebrochenen Mann, der in der Zwischenzeit keine Schafherde mehr besitzt (die beiden Fotos stehen unten im Interview). Es zahlt sich wirtschaftlich einfach nicht mehr aus. Das hindert ihn aber selbstverständlich nicht davor, beim Schafabtrieb mitzuwirken – und auch nicht, sich noch immer so viel wie möglich in seinem ureigenen zu Hause aufzuhalten, den Bergen in Landmannalaugar.

Alle folgenden schwarz-weiß Fotos sind von Ragnar Axelsson und aus seinem Buch Behind the Mountains (Fjallaland), die er uns dankbarerweise für die Verwendung in diesem Artikel zur Verfügung gestellt hat. Der Fotograf Ragnar Axelsson selbst sagt im Interview mit inReykjavik.is über sein Buch(zum großen Interview mit Ragnar Axelsson gehts hier):

Vielfach prämierter Fotograf: Ragnar Axelsson (Rax), ©Sabine Burger, Alexander Schwarz, 2013-08-23__MG_0693_00018
Vielfach prämierter Fotograf: Ragnar Axelsson (Rax)

„In meinem neuesten Buch Behind the Mountains, zeige ich die über einen Zeitraum von 25 Jahren den Schafabtrieb immer im gleichen Gebiet im Süden Islands. Ursprünglich wollte ich eigentlich zeigen, wie Menschen älter werden. Aber dann dachte ich mir, ich folge den Leuten hier einfach mal und sehe, was sich daraus entwickelt. Und obwohl die Arbeit des Schafabtriebs praktisch seit Jahrhunderten die gleiche ist, ist in diesemn 25 Jahren doch so einiges geschehen, und ich hoffe, dass sich das auch in meinen Fotos widerspiegelt.

Ich habe, bis auf ein Jahr, in dem ich im Krankenhaus war, immer auch immer selbst mitgeholfen. Nun ja, wie Pórður, mein Begleiter beim Schafabtrieb in all den Jahren mit einem Augenzwinkern sagte, er habe schon bessere Reiter gesehen. Aber ich glaube, ich konnte mich schon auch ein wenig nützlich machen.“

„Der Schafabtrieb ist keine Angelegenheit, die man auf die leichte Schulter nehmen sollte. Du musst dir das so vorstellen: Im Frühjahr werden die Schafe vom Stall auf eine Weide gebracht. Von dort aus können sie sich bis zum Herbst frei bewegen. Bevor tiefer Schnee und Frost über das Land fällt, werden die Tiere vom Hochland wieder zurück ins Tal und schließlich in ihr WInterquartier getrieben. Leider haben die Schafe auch die Angewohnheit, sich manchmal an Stellen wie Felsvorsprünge zu begeben, von den sie sich nicht mehr selbst befreien können. Es ist eine Knochenarbeit und je nach Wetterlage kann das auch richtig gefährlich werden. Wo dies möglich ist, findet der Abtrieb auf dem Pferd statt, aber oben ins Hochland kommt man oft nur zu Fuß. Solch ein Abtrieb dauert fünf geschlagene Tage und ist wirklich kein Zuckerschlecken.“

„Alle Fotos in diesem Buch sind auf Film geschossen. Zwar ist Fotos machen, während man auf einem Pferd sitzt, schon gar nicht so einfach. Es ist aber ein ziemliches Kunststück, einen Film auf einem Pferderücken zu wechseln. Und manchmal wollte halt das Pferd in die eine Richtung und flog meine Filmrolle mit dem Wind in eine andere. So verlor ich einige Filmrollen im Eifer des Gefechts.“

„Die Fotos in meinen Büchern, also auch in diesem sind nicht gestellt. Bis auf eine einzige Ausnahme und zwar aus dem oben genannten Grund. Ich hatte fantastische Fotos von den Frauen gemacht, aber die Filmrollen leider verloren. Also habe ich sie letztendlich kurz um ihre Aufmerksamkeit gebeten, etwas, was ich ansonsten für eine Dokumentation nicht tun würde. Meine Fotos sind Momentaufnahmen, eingefrorene Momente, die nicht mehr wiederkommen. Es geht mir darum, die Menschen und Tiere zu zeigen, diesen einzigartigen Moment festzuhalten. Die Berge stehen wohl auch noch in tausenden von Jahren hier. Aber die Emotionen, die Interaktion, das Einmalige, was so nicht mehr zurückkommt, darum geht es mir. Ich selbst bin dann als Fotograf sozusagen gar nicht da. Was geschieht, geschieht. Und was nicht geschieht, geschieht nicht.

Oft warte ich sehr lange auf das Bild, dass ich haben will. Bis die Linien im Foto stimmen, der Gesichtsausdruck, die Körperhaltung, bis jemand, der weit weg auf einem Bergpass steht, endlich wieder anfängt zu laufen, sodass er nicht nur als Streichholz wirkt, sondern Bewegung in das ansonsten Ruhe ausstrahlende Bild kommt. Oder bis die Hufe der Pferde beim Laufen für einen Bruchteil einer Sekunde genau die Haltung einnehmen, die ich mir auf dem Foto vorstelle. Ich habe nicht nur ein Vierteljahrhundert den Schafabtrieb fotografiert, sondern danach auch noch so zwei Jahre an der Zusammenstellung und Komposition gearbeitet des Buches gearbeitet.“

So gibt es in diesem Buch hoffentlich einiges, auch humorvolles, auf den zweiten Blick zu entdecken. Auf einer Doppelseite in diesem Buch siehst du zum Beispiel, wie zwei Stockmänner ein Schaf und ein Pferd, die beide nicht mehr weiter wollen, zum Gehen zu bewegen. Wenn du das Foto siehst, kannst du dir vorstellen, dass da auch noch eine andere, in diesem Fall, lustige Komponente mitspielt. Im Foto rechts davon steht ein wieherndes Pferd, dass diese Situation laut lachend zu kommentieren scheint, wobei der Horizont im Hintergrund so wirkt, als würde er die Seiten und damit die Fotos miteinander verbinden.“

„Gemeinsam mit meinem Verleger Kristján B. Jónasson haben wir beschlossen, dass wir einen neuen Weg gehen möchten, und auch etwas Text in dieses Buch aufnehmen möchten. Ich war über fast die ganze Zeit vor allem einem Schafbauern zugeteilt, Þórður Guðnason. In Behind the Mountains steht seine Geschichte und seine Geschichten, die er selbst erzählt hat.“

„Der Bergabtrieb kann wirklich gefährlich werden, vor allem bei schlechtem Wetter. So sind wir einmal auf einem Schneefeld plötzlich so zehn Meter nach unten gefallen. Þórður hat nur kurz geflucht, schüttelte sich ein paar mal, stand einfach wieder auf und weiter gings. Die Jungs dort sind schon hart drauf. Aber da sie um die Gefahren wissen, auch vorsichtig. Keiner begibt sich hier unüberlegt in Gefahr.
Auf der anderen Seite kann es hier im Hochland so unglaublich schön sein, dass ich mich auch manchmal kneifen musste und dachte, jetzt zu sterben, wäre in Ordnung.“

Die außerordentlich eindrucksvollen und faszinierenden Fotos von Rax lassen uns vermuten, was er damit meint.

Ohne Angst und Schrecken, egal was kommt beim Abenteuer Schafabtrieb in Island. Ein inzwischen legendäres Foto aus diesem Buch. Aus: Behind the Mountains, ©Ragnar Axelsson
Ohne Angst und Schrecken, egal was kommt beim Abenteuer Schafabtrieb in Island. Ein inzwischen legendäres Foto aus diesem Buch. Aus: Behind the Mountains, ©Ragnar Axelsson

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