Stafnbúi – Isländische Rímur auf CD mit ausführlichem Booklet

Rímur sind mittelaterliche Gesänge, vielleicht am ehesten vergleichbar mit unseren Minneliedern. Ihre Themen waren aber andere und in Reimung und Melodie herrschen stenge Regeln. Außerdem handelt es sich bei Rímur nicht um eine ausgestorbene Kunstgattung, sondern dank Steindór Andersen und Hilmar Örn Hilmarsson um eine aufs Neue beliebte und anerkannte künstlerische Ausdrucksform. Die Rímur stammen wohl aus der Zeit als auch die Eddas und Sagas entstanden undgehören damit zum identifikationsstiftenden Selbstverständnis der Isländer.

Die CD Stafbúi von Steindór Andersen und Hilmar Örn Hilmarson, ©Sabine Burger, Alexander Schwarz, 2012-10-30__MG_4651_00003
Die CD Stafbúi von Steindór Andersen und Hilmar Örn Hilmarson

„Ich habe eigentlich nur ein bisschen geholfen, bei der Aufnahme der CD, trotzdem liegt sie mir sehr am Herzen“, sagt Steindór bescheiden, schließlich ist er der Sänger und hat er den wohl größten Beitrag dazu geleistet, dass das Kulturgut der Rímur in die heutige Zeit gerettet wurde.
Hilmar Örn, Musiker, dessen Musik auf vielen, nicht nur isländischen Kinofilmen zu hören ist, schmunzelt und stellt dann doch richtig. „Wir arbeiten seit dem Jahr 2000 gemeinsam mit den mittelalterlichen Gesängen und Dichtungen der Rímur. Mit dieser Produktion wollten wir sehen, wie auf der einen Seite in aller Einfachheit, also unisono und wie auf der anderen Seite aufwendiger und modern man die Rímur mit historischen Instrumenten als auch mit Synthezisern zum Leben erwecken kann.“

Steindór singt Rímur auf einerÁsatrú-Hochzeit in dem alten Parlamentsort Þingvellir. ©Sabine Burger, Alexander Schwarz, 2011-06-23__MG_1515_00230
Steindór singt Rímur auf einerÁsatrú-Hochzeit in dem alten Parlamentsort Þingvellir.

„Die historischen Instrumente, die man auf der CD hört, sind ein Langspíl, ein Symfón und eine Steinharfe. Es gibt hier in Island kaum noch eine Handvoll Leute, die zum Beispiel das Langspíl beherrschen. Tatsächlich war das Wissen um diese Instrumente gänzlich verflogen, und konnte nur über alte Schriften und Wissen und Erfahrung von den britischen Inseln, wieder erlangt werden.“, sagt Steindór und fährt fort. „Das betrifft auch die Melodien der Rímur. Einige Texte aus dem Mittelalter und späteren Jahrhunderten sind uns erhalten geblieben. Bei den Melodien müssen wir aber aus Quellen aus dem 18. Jahrhundert zurückgreifen. Immerhin gibt es auf jeden Fall seitdem eine ungebrochene Melodieformung.“

„Text und Melodie sind bein Rímur sehr eng miteinander verbunden“, erläutert Hilmar Örn. „So erfordert eine bestimmte Reimform immer eine bestimme Melodie. Hat man also ein bestimmtes Reimschema, ist die Melodie dazu festgelegt. So gibt es auch für die Texte und Reimformen selbst sehr genaue Regeln. Früher nahmen die Rímur ihrem Stoff aus den alten Sagas oder Erzählungen gar aus aus Dänemark und England. Die Sänger der Rímur haben aber auch berichtet, was sich gerade in Island selbst tut. Sie zogen von Hof zu Hof, von Ort zu Ort, vergleichbar den deutschen Minnesängern und verbreiteten die letzten Neuigkeiten von den Höfen und Orten aus denen sie gerade kamen. Sie hatten also auch die Funktion einer Tageszeitung, wenn man so will. Und damit konnte man im Mittelalter sogar reich werden. Wir wissen aus alten Schriften von einer Rímursängerin, die anderen Geld leihen konnte.“

Hilmar Örn Hilmarsson ist außer Musiker auch der Hochgode der Ásatrú, der Asenglaubensgemeinschaft Islands. ©Sabine Burger, Alexander Schwarz, 2011-06-23__MG_1415_00133
Hilmar Örn Hilmarsson ist außer Musiker auch der Hochgode der Ásatrú, der Asenglaubensgemeinschaft Islands.

„In großen Teilen der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts hat sich fast niemand mehr für Rímur interessiert“, stellt Steindór fest, „und so konnten die Rímur beinahe aussterben. Mich hat das Rímur-Fieber gepackt als ich zehn Jahre alt war. Und es hat mich bis heute nicht mehr losgelassen. Ich habe in Archiven nach Texten und Melodien gesucht, habe alte Aufnahmen bis in die 1920er Jahre gefunden, die ich jahrelang studiert habe, um das kulturelle Erbe so genau und gut wie möglich in unsere Zeit zu retten. Später wurde ich Mitglied der Iðunn Gesellschaft, deren Vorsitzender ich dann letztendlich für 15 Jahre wurde.“

„Steindór hat da wirklich ein Wunder verrichtet“, freut sich Hilmar Örn. „Die Rímur waren praktisch schon dem Tode verschrieben, aber immerhin waren die alten Quellen noch da und intakt. Steindór hat sehr viel in Archiven, aber auch bei Privatleuten geforscht und wieder ans Tageslicht gebracht. Außerdem hat er es geschafft, dass die Rímur wieder gehört und dann auch beliebt wurden. Noch immer findet er neues Material. So ist auf unserer CD Stafnbúi auch ein Ríma zum erstenmal auf einem Tonträger überhaupt zu hören.

Uns ging es in dieser CD zum einen darum, Archivmaterial zu präsentieren und zum Anderen darum, dieses Material auch so zu bearbeiten, dass es für eine neue Generation interessant ist. Und tatsächlich hat es den Anschein, dass sich jüngere Leute, worunter Musikstudenten, die Rímur jetzt tatsächlich genauer anschauen, mit ihnen in Verbindung kommen.“

Stafbúi ist nicht nur CD sondern auch Buch. Auf 80 Seiten in drei Sprachen, worunter deutsch, wird die Geschichte der Rímur aufgezeigt und die Texte der Lieder auf der CD erläutert. ©Sabine Burger, Alexander Schwarz, 2012-10-30__MG_4660_00001
Stafbúi ist nicht nur CD sondern auch Buch. Auf 80 Seiten in drei Sprachen, worunter deutsch, wird die Geschichte der Rímur aufgezeigt und die Texte der Lieder auf der CD erläutert.

Hilmar Örn hatte zu Anfang des neuen Jahrhunderts die Idee, um mit Odin’s Raven Magic ein orchestrales Werk nach dem historischen Gedicht ,Hrafnagaldr Óðins‘, das (wohl später) Teil der Poetischen Edda wurde, zu komponieren. Er wußte um Steindors Sangeskünste und bat ihn deshalb mitzumachen. Außerdem wurden Streicher eingesetzt, Bläser, ein Chor, eine Steinharfe. Und dann war da noch eine bis dato recht junge, unbekannte isländische Band, mit der Hilmar Örn gerade die Filmmusik für Children of Nature produzierte. Odin’s Raven Magic war der Beginn der erfolgreichen Karriere von Sígur Rós. Letztendlich haben dann alle gemeinsam, Hilmar Örn Hilmarsson, Sígur Rós, Steindór Andersen und María Hukd Sigfúsdóttir Markan an diesem Projekt komponiert, dass mit riesigem Erfolg auf dem Reykjavík Arts Festival aufgeführt wurde.

„Kurz darauf hat Jónsi von Sígur Rós mich gefragt, ob ich ihm mehr über die Rímur lernen kann“, erinnert sich Steindór. „Das habe ich getan. Dann hat er mich gebeten, doch mal zu einer Bandprobe mit zu kommen. Und da haben sie dann gesagt, warum trittst du morgen nicht einfach bei unserem Konzert mit auf. Auf einmal war ich mit ihnen in Island unterwegs, und dann auch auf ihrer ersten Tournee in Europa und den Vereinigten Staaten. Auch das hat geholfen, die Rímur wieder bekannter zu machen.“

Hilmar Örn Hilmarsson als Hochgode, Steindór Andersen als Sänger während einer Blót-Feier der Ásatrú in Þingvellir. ©Sabine Burger, Alexander Schwarz, 2011-06-23__MG_1311_00029
Hilmar Örn Hilmarsson als Hochgode, Steindór Andersen als Sänger während einer Blót-Feier der Ásatrú in Þingvellir.

Hilmar Örn und Steindór haben nicht nur eine CD gemacht, sie haben die Arbeit von sieben Jahren dokumentiert und haben das Gereimt allem nötigen Respekt und aller Behutsamkeit in die heutige Zeit übertragen. So finden sich auf der CD nicht nur alte sondern auch moderne Texte. Schließlich werden, auch dann der beiden, noch immer Rímur geschrieben und vertont. Ja, diese CD liegt ihnen wirklich am Herzen.

Dies gilt auch für die Herausgeber. 12 tónar hat die CD wunderschön und mit aller Sorgfalt  mit einem dreisprachigen, 80-seitigen Booklet (Isländisch, Englisch, Deutsch) mit weiterführenden Informationen zu den Rímur und einer kurzen Biografie von Hilmar Örn und Steindór ausgestattet.

Hörbeispiel von der CD:

 

Hier einige Fotos von der CD-Präsentation in der Harpa:

Rímur - Präsentation der CD Stafnbúi – Steindór Andersen, Hilmar Örn Hilmarsson, Páll Guðmundsson (von links), ©Sabine Burger, Alexander Schwarz, 2012-11-01__MG_4671_00004
Rímur – Präsentation der CD Stafnbúi – Steindór Andersen, Hilmar Örn Hilmarsson, Páll Guðmundsson (von links)
Konzert anlässlich der Präsentation der CD Stafnbúi mit alten und neuen Rímur vor mehr als 200 begeisterten Besuchern. ©Sabine Burger, Alexander Schwarz, 2012-11-01__MG_4692_00017
Konzert anlässlich der Präsentation der CD Stafnbúi mit alten und neuen Rímur vor mehr als 200 begeisterten Besuchern.
Hilmar Örn Hilmarsson (Tasten), Steindór Andersen (Gesang), Páll Guðmundsson (Steinharfe) bei der Präsentation der Rímur-CD Stafnbúi, ©Sabine Burger, Alexander Schwarz, 2012-11-01__MG_4697_00021
Hilmar Örn Hilmarsson (Tasten), Steindór Andersen (Gesang), Páll Guðmundsson (Steinharfe) bei der Präsentation der Rímur-CD Stafnbúi

 

 

 

 

 

 

 

Hilmar Örn Hilmarsson (links), Steindór Andersen, ©Sabine Burger, Alexander Schwarz, 2012-11-01__MG_4721_00033
Hilmar Örn Hilmarsson (links), Steindór Andersen
Die Steinharfe von Páll Guðmundsson. Páll geht regelmäßig auf die Suche nach Steinen, die die richtige Tonhöhe und Dicke haben, so dass sie auch vibrieren und klingen können. Die Steine sind naturbelassen und haben ihre ursprüngliche Form. ©Sabine Burger, Alexander Schwarz, 2012-11-01__MG_4749_00048
Die Steinharfe von Páll Guðmundsson. Páll geht regelmäßig auf die Suche nach Steinen, die die richtige Tonhöhe und Dicke haben, so dass sie auch vibrieren und klingen können. Die Steine sind naturbelassen und haben ihre ursprüngliche Form.

 

 

 

 

 

 

 

 

Lárus Jóhannesson, Herausgeber der CD und Miteigentümer des Musikladens 12 tónar mit einem Exemplar der Rímur-CD ,Stafnbúi‘ von Hilmar Örn Hilmarsson und Steindór Andersen, ©Sabine Burger, Alexander Schwarz, 2012-11-01__MG_4737_00041
Lárus Jóhannesson, Herausgeber der CD und Miteigentümer des Musikladens 12 tónar mit einem Exemplar der Rímur-CD ,Stafnbúi‘ von Hilmar Örn Hilmarsson und Steindór Andersen
Großer Andrang nach dem Konzert mit der seine CD signieren zu lassen; Páll Guðmundsson (rechts), ©Sabine Burger, Alexander Schwarz, 2012-11-01__MG_4764_00056
Großer Andrang nach dem Konzert mit der seine CD signieren zu lassen; Páll Guðmundsson (rechts)

 

 

 

 

 

 

 

 

2012-11-01__MG_4774_00061Steindór Andersen signiert das Booklet der CD Stafnbúi. ©Sabine Burger, Alexander Schwarz, 2012-11-01__MG_4774_00061
Steindór Andersen signiert das Booklet der CD Stafnbúi.
Hilmar Örn Hilmarsson signiert die Rímur-CD Stafnbúi. ©Sabine Burger, Alexander Schwarz, 2012-11-01__MG_4785_00069
Hilmar Örn Hilmarsson signiert die Rímur-CD Stafnbúi.