Die Grafikerin Sigrid Valtingojer †

+++ Update: Sigrid Valtingojer ist nach kurzer, schwerer Krankheit im Mai 2013 in Berlin verstorben. +++
„Nein, mich zur Ruhe setzen könnte ich mir nicht vorstellen, was soll man den da den ganzen Tag machen.“ Sigrid Valtingojer, die erfahrene und mehrfach ausgezeichnete Graphikerin, schüttelt den Kopf und lacht. Tatsächlich hat die 1935 geborene Künstlerin ein aktives Leben, in dem sie zwischen Reykjavík und Berlin hin- und herpendelt.

Die Werke Þögn und Gjálfur von Sigrid Valtingojer, ©Sabine Burger, Alexander Schwarz, 2012-08-10__MG_9648_00008
Die Werke ,Þögn‘ und ,Gjálfur‘ von Sigrid Valtingojer

„Anfang der 1960er Jahre ergab sich für die gelernte Designerin Sigrid die Gelegenheit nach Island zu reisen, damals noch auf einem Schiff. Als sie dort einen Werbefachmann kennenlernte, der ihr das Angebot machte, dass sie mit ihm zusammenarbeiten könne, war die Entscheidung schnell gefallen. „Ich habe in Frankfurt in der Werbung gearbeitet, aber das war langweilig. Kreativität war nicht gefragt, das war nur Sache einiger weniger ,Stars‘. Die anderen waren mehr oder weniger das Fußfolk für die kleineren Arbeiten.
Das Angebot aus Reykjavík reizte mich sehr, ich wollte weg aus Deutschland. Es war mitten im Kalten Krieg, eine schlechte Atmosphäre, und dann wurde auch noch 1961 die Mauer gebaut. Ich bekam eine Chance zu gehen.“

Eine der kleineren Arbeiten von Sigrid Valtingojer, ©Sabine Burger, Alexander Schwarz, 2012-08-10__MG_9697_00031
Eine der kleineren Arbeiten von Sigrid Valtingojer

„So arbeitete ich viele Jahre in Reykjavík als eine Art Pionier in der Werbung und das machte großen Spaß. Ich machte Plakate, entwarf Etiketten, Verpackungen, Prospekte, illustrierte auch Kinderbucher und lernte viel dabei. Ende der 1970er Jahre schlug ich einen neuen Weg ein. Sich weiter zu entwickeln, sich selbst auszudrücken, ganz frei zu arbeiten, das war mein Wunsch. Ich belegte in der Kunst- und Gewerbeschule Islands einen Studienplatz und lernte die verschiedenen Techniken in der Druckgraphik. Das war eine tolle Zeit, wir hatten gute Lehrer/innen, die in Paris, in Stockholm oder auch in Deutschland studiert hatten. Die künstlerische Druckgraphik war  etwas Neues, ,Frisches‘ und wurde gerne gekauft. Die Isländer sind sehr kunstliebend, das sieht man schon wenn man die Wohnungen betritt und die Wände behangen sind mit guten Bildern, meist Originalen.“

,Slóðir II‘ der Grafikerin Sigrid Valtingojer, ©Sabine Burger, Alexander Schwarz, 2012-08-10__MG_9649_00009
,Slóðir II‘ der Grafikerin Sigrid Valtingojer

„Nach Abschluss des Studiums begann die Zeit der Ausstellungen. Gemeinsam mit Kolleginnrnen auch aus der Keramik und der Textilkunst, gründeten wir eine Galerie in Reykjavík, es war eine goldene Zeit. Und die Teil- nahme an internationalen Gruppenausstellungen, an Biennalen und Triennalen boten die Möglichkeit, in vielen Ländern auszustellen, Preise zu erringen. Einige meiner Arbeiten wurden auch von vielen Museen erworben, in Europa, in Japan und den USA. Graphiken liessen sich sehr viel einfacher verschicken. Ein großer Vorteil, weil man dazu nur eine stabile Rolle brauchte, und ab ging die Post!“

Auf die Frage, was Sigrid bei ihrer Arbeit inspiriert, kommt sie auf die Natur zu sprechen. „Es ist die isländische Natur, die klaren Formen, das Licht, die Intensität der Farben und vor allen Dingen, es ist keine Gartenlandschaft Der Mensch hat nicht die Landschaft gestaltet, sondern die Elemente haben es geformt, man spürt den ,Atem der Schöpfung‘, um es poetisch auszudrücken. Es ist ein wunderschönes Land, kein Wunder, dass es auch viele Dichter in Island gibt.“

Die aus Deutschland stammende Künstlerin Sigrid Valtingojer besitzt die größte Grafikpresse in Island. ©Sabine Burger, Alexander Schwarz, 2012-08-10__MG_9678_00018
Die aus Deutschland stammende Künstlerin Sigrid Valtingojer besitzt die größte Grafikpresse in Island.

„Ich habe Mitte bis Ende der 1980er Jahre eine Serie von Radierungen gemacht, sozusagen eine Hommage an die  isländische Landschaft. Keine bestimmten Orte, sondern Phänomene, die typisch sind für diese Insel. Lavalandschaften, Vulkane, Gletscher, es sind abstrahierte Darstellungen. Wenn ich z.Beispiel „Landslag XI “ nehme : Ein dunkel-violetter Berg und ein leuchtendes Grün. Es ist dieses überwältigende Grün, auf das man trifft, wenn man im Sommer quer übers unbewohnte Hochland fährt, einer Wüste aus Sand, Steinen, Geröll und nach langer Fahrt das erste grüne Feld in der Landschaft sieht, so unglaublich grün, dieses Gefühl vergisst man nie. Mit der Serie habe ich viel Erfolg gehabt, hier in Island aber auch im Ausland. In Japan und in Italien bekam ich Preise dafür und die Jury in Italien traf mit ihrer Begründung für den Grand Prix genau den Punkt, worum es mir ging.“

Farbenspiel mit Holzdruck; Detail einer neueren Arbeit von Sigrid Valtingojer, ©Sabine Burger, Alexander Schwarz, 2012-08-10__MG_9694_00029
Farbenspiel mit Holzdruck; Detail einer neueren Arbeit von Sigrid Valtingojer

„Später interessierte mich auch sehr die Technik des Holzschnittes. Sie bot andere Möglichkeiten, vor allem kann ich mit mehr Farbe spielen und muss nicht wie bei Radierungen mit Säure arbeiten. was nicht gerade gesund ist. Meine Motive nahmen immer mehr abstrakte Formen an, wie z.B. die Holzschnittserie ,Klangstrukturen‘ – aber Druckgraphik muss es sein! Wahrscheinlich ist es der langwierige Prozess den ich brauche – entgegen dem Trend der heutigen Zeit,möglichst schnell Resultate zu erzielen. Meine Arbeit an der Metallplatte für Radierungen unterscheidet sich nicht wesentlich von den Techniken und Tricks, die die alten Meister wie Rembrand oder Goya verwendeten, und erst beim Druck dieser Platte wird sichtbar, wo man steht. Und es folgten der 2. und der 3. Zwischendruck, bis man vielleicht zufrieden ist oder sogar glücklich ist mit dem Ergebnis.“

Nein, zur Ruhe will sie sich sicher noch nicht setzen, wieso auch. Sigrid hat noch genügend neue Pläne: „Obwohl ich natürlich auch merke, dass Dinge nicht mehr so schnell gehen, es schwieriger wird, aber ich will noch etwas leisten, vielleicht nicht etwas Grosses nach aussen hin, auf jeden Fall etwas, mit dem ich zufrieden bin.“

Wer sich für Sigrids Arbeit interessiert, kann sich auf der Website der Künstlerin informieren (Details im Link, siehe unten).

Sigrid Valtingojer im August 2012. Die Künstlerin verstarb im Mai 2013. ©Sabine Burger, Alexander Schwarz, 2012-08-10__MG_9715_00042-2
Sigrid Valtingojer im August 2012. Die Künstlerin verstarb im Mai 2013.