Die patronymische Namensgebung in Island

Die Namensgebung in Island kennt wohl recht unauslöschliche Traditionen, etwa die Vorliebe für bestimmte Vornamen. So war beispielsweise der häufigste männliche Vorname 1703 Jón, fast 25% der Männer hießen damals so. Etwa 100 Jahre später 1801 war der häufigste Männername – tatata – Jón, doch war der Anteil auf 21% gefallen. 1855 hießen die meisten Männer … Jón, 1910 stand auf Platz 1: Jón, auch 1995 oder 2011 war der Sieger: Jón!

Drei -dóttirs in isländischer Tracht – Sie behalten die "Tochter" auch als Erwachsene im Namen. ©Sabine Burger, Alexander Schwarz, IMG_4628__2009-07-10_17-24-11_aA
Drei -dóttirs in isländischer Tracht – Sie behalten die “Tochter” auch als Erwachsene im Namen. ©Sabine Burger, Alexander Schwarz

+++++Update: Das Isländische Statistikbüro hat gezählt. 2015 waren dies bezogen auf die gesamte Bevölkerung die häufigsten Vornamen:
männlich 1. Jón, 2. Sigurður, 3. Guðmundur, 4. Gunnar, 5. Óalfur / Olav
weiblich: 2. Guðrún, 2. Anna, 3. Kristín, 4. Sigriður, 5. Margrét / Margrjet / Margret
Bei den 2014 geborenen Kindern (die Zahlen von 2015 sind noch nicht veröffentlicht) zeigt sich folgendes Bild:
Jungs: 1. Aron, 2. Alexander, 3. Viktor / Victor, 4. Kristján / Kristian / Christian 5. Jón
Mädchen: 1. Margrét / Margrjet / Margret, 2. Anna, 3. Emma, 4. Ísabella / Ísabel / Isabel, 5. Eva Guðrún erscheint hier nur noch auf dem 20! Platz – eine wahre Enttäuschung für all die Großmütter mit dem Namen Guðrún. +++++

In Island gibt es eine starke Tradition, Kindern für einen der Vornamen den Namen eines Großelternteils zu geben. Daher können sich natürlich viele Namen seit Jahrhunderten erhalten. Bei den männlichen Vornamen konnte Guðmundur lange Jahre seinen zweiten Platz verteidigen, doch Sigurður hat in jüngsten Jahren auf diesen Platz aufgeholt. Waren Bjarni und Magnús immer mit ganz vorne dabei, sind die beiden Namen etwas in der Beliebtheit gesunken und wurden von Gunnar und Ólafur eingeholt.

Bei den Frauen war Guðrún lange der häufigste Name, musste jedoch auch Anna ab und zu den Vortritt lassen, doch steht Guðrún 2011 ebenso wie in den fünf Jahren davor wieder an erster Stelle. Nach Anna gehören zu den häufigsten weiblichen Vornamen Sigriður, Kristín, Margrét, Helga.

Der Vater-son mit dem Sohn-son am Tjörnin ..., ©Sabine Burger, Alexander Schwarz, IMG_0130__2010-05-15_13-22-36_aA
Der Vater-son mit dem Sohn-son am Tjörnin …, ©Sabine Burger, Alexander Schwarz

Heutzutage ist die Vielfalt der Namen weitaus größer als beispielsweise im 18. Jahrhundert. Wer allerdings einem Kind einen Namen geben möchte, der offiziell noch nicht zugelassen ist, muss einen Antrag stellen. Die Namenskommission, die zum Justizministerium gehört, entscheidet dann darüber, ob der Name in die offizielle Liste mit aufgenommen wird. Nur ein Kind, das einen Namen aus der offiziellen Namensliste trägt, kann registriert werden. Es zählen verschiedene Argumente, zum Beispiel ob ein Name die Würde eines Kindes achtet, aber ein Name kann auch nur dann aufgenommen werden, wenn er grammatikalisch korrekt verwendet und in allen Fällen gebeugt werden kann. Also Namen, die ein C, W, oder Z enthalten, können, da diese Buchstaben im isländischen Alphabet fehlen, ebenso wenig aufgenommen werden wie Namen, die sich nicht korrekt in den verschiedenen Fällen beugen lassen. Ausnahmen können aber unter Umständen  bei Kindern ausländischer Elter nzugelassen werden.

Bei den isländischen Vornamen sind Teile des Namens oftmals von Götternamen oder Helden der Sagen hergeleitet. Also steckt auch oft eine übertragene Bedeutung hinter einem Namen und viele Isländer sind stolz darauf, was ihr Name bedeutet.

... und die Mutter-dóttir mit der Tochter-dóttir auf der Bankastræti am Nationalfeiertag, ©Sabine Burger, Alexander Schwarz, IMG_1807__2010-06-17_13-56-28_aA
… und die Mutter-dóttir mit der Tochter-dóttir auf der Bankastræti am Nationalfeiertag, ©Sabine Burger, Alexander Schwarz

Die Vornamen spielen die wichtigste Rolle: Alle reden sich mit Vornamen und du an und Namenslisten wie das Telefonbuch sind nach den Vornamen sortiert. Was die Nachnamen betrifft, so tragen Kinder den Vornamen ihres Vaters mit der Ergänzung -son für Sohn und -dóttir für Tochter. Sie werden also patronymisch gebildet. Heißt der Vater Jón, dann würde der Sohn also Jónsson mit Nachnamen heißen und die Tochter Jónsdóttir. In einer Familie mit zwei Kindern (einem Sohn und einer Tochter) hätten also alle Personen unterschiedliche Nachnamen, da auch die Eltern jeweils die Namen ihrer Väter tragen. Bestehen Zweifel bei der Vaterschaft, dann können Kinder auch einen Nachnamen erhalten, der von der Mutter abgeleitet wird, dies kommt jedoch seltener vor.

An einem weiteren Beispiel:

Die Großeltern väterlicherseits heißen Sigþór und Guðrun, die Großeltern mütterlicherseits Jón und Silja.

Der Junge der Großeltern (also der Vater in unserem Beispiel) bekam als Vornamen den Namen Guðmundur und heißt damit Guðmundur Sigþórsson (bei internationalen Anlässen auch gerne Sigthorsson geschrieben; das ‘þ’ wird wie ein stimmloses, englisches ‘th’ ausgesprochen): Guðmundur, Sohn von Sigþór

Das Mädchen der Großeltern (also die Mutter in unserem Beispiel) bekam den Vornamen Karítas und heißt damit Karítas Jónsdóttir, Karítas, Tochter von Jón.

Gúdmundur und Karítas bekommen eine Tochter (Áróra) und einen Sohn (Kjartan). Sie heißen dann Áróra Gúdmundsdóttir und Kjartan Guðmundsson.

Die Kinder von Áróra werden als Nachname den Vornamen ihres Mannes tragen, die Nachfahren von Ómar werden als Nachname Kjartansson heißen.

Man kann das ja auch mal an der eigenen Familie durchspielen.

Die isländische Jazzgruppe AdHd besteht aus Davíð Þór Jónsson (Tasten), Magnús Trygvason Elíassen (Schlagzeug), Óskar Guðjónsson (Saxofon) und Ómar Guðjónsson (Gitarre, Bass). Und ja, die beiden Guðjónssons sind tatsächlich Brüder. ©Sabine Burger, Alexander Schwarz, L1050533
Die isländische Jazzgruppe AdHd besteht aus Davíð Þór Jónsson (Tasten), Magnús Trygvason Elíassen (Schlagzeug), Óskar Guðjónsson (Saxofon) und Ómar Guðjónsson (Gitarre, Bass). Und ja, die beiden Guðjónssons sind tatsächlich Brüder. ©Sabine Burger, Alexander Schwarz

Frauen nehmen nur in sehr seltenen Fällen den Namen ihres Partners an, am ehesten geschieht dies, wenn es in der Familie einen Familiennamen gibt. Dies sind meist aus dem Dänischen stammende Namen, die beispielsweise auf eine adlige Herkunft verweisen. Der frühere Premierminister Geir Haarde trägt zum Beispiel einen Nachnamen, da sein Vater Norweger ist.

In Gesprächen mit Isländern spielen die Ahnenreihen immer eine wichtige Rolle. Kommt man auf andere Personen zu sprechen, dann wollen alle gleich wissen, wie die Person mit Nachnamen heißt und dann wird weiter überlegt: “Das ist der Sohn von ihr, oder die Tochter von ihm und der ist wiederum der Bruder von …” Spätestens hier hat man als Nicht-Einheimischer den Faden verloren, aber das macht nichts, denn bereits nach drei Ecken heißt es plötzlich: “Oh, der ist mit meiner Cousine verheiratet.”  oder “Das ist die Frau meines Onkels.” Womit wieder einmal bestätigt wäre, dass in Island jeder jeden kennt. Kein WUnder:  Ab spätestens sechs Ecken ist man irgendwie miteinander verwandt.