Der Einsatzgruppenversorger FGS Bonn im Hafen von Reykjavík

Das Versorgungsschiff (Einsatzgruppenversorger) FGS Bonn liegt gerade im Hafen von Reykjavík. Es ist der erste Auslandshafen des nagelneuen, 173,3 m langen und 24 m breiten Schiffs. Sein Kommandant Fregattenkapitän Björn Laue betreute das Schiff schon während der Bauphase und erzählt im Interview mit inReykjavik.is was ihn zur Seefahrt gebracht hat, über die peniblen Testfasen, die ein solch neues Schiff über sich ergehen lassen muss und die lange Zeit, die man von Zuhause weg ist.

Der Kommandant Fregattenkapitän Björn Laue, ©Sabine Burger, Alexander Schwarz, 2014-01-29__MG_2858_00020
Der Kommandant Fregattenkapitän Björn Laue, ©Sabine Burger, Alexander Schwarz

Die Kammer des Kommandanten ist nicht gerade groß bemessen. Ein kleiner Schreibtisch, eine Sitzecke, an der Wand Urkunden von Polarkreis- und Äquator-Überquerungen, Fotos und Wappen von Schiffen, auf denen der Fregattenkapitän bereits eher zur See fuhr.
„Zur See zu fahren ist eine Lebensart. Und ich habe festgestellt, dass es meine Lebensart ist. Klar, man kann seine Familie und Freunde nicht so oft sehen, wie man vielleicht möchte und man muss mit den beengten Räumlichkeiten eines Schiffes klarkommen. Als Kommandant dieses Schiffes komme ich immerhin in den Genuss, der einzige an Bord zu sein, der sein Büro und Schlafzimmer in zwei kleinen Räumen unterteilt und nicht beides in einer Kammer vereint hat. (Wir unterscheiden an Bord ‚Kammern‘ und ‚Decks‘. Kammern sind für die Offiziere, Decks, mit maximal sechs Betten pro Raum, für die Mannschaften.) Mich hat die Seefahrt einfach gepackt, auch wenn es schwer fällt zu beschreiben, was das nun eigentlich ist.“

Die Wache am Eingang der FGS Bonn, ©Sabine Burger, Alexander Schwarz, 2014-01-29_P1000710_00005
Die Wache am Eingang der FGS Bonn, ©Sabine Burger, Alexander Schwarz

„Als Kind und Jugendlicher wollte ich eigentlich auf gar keinen Fall zur See fahren“, erzählt Fregattenkapitän Björn Laue. „Mein Vater war Unteroffizier mit Portepee bei der Marine und ich fand es immer doof wenn er wieder für längere Zeit wegfuhr. Nach dem Abitur 1987 habe ich mir überlegt was ich machen soll. Ich bin zwar in Aachen geboren, aber in Wilhelmshaven aufgewachsen und irgendwie dachte ich mir dann, ach, warum nicht, ich kann’s ja mal probieren. Sobald ich dann auf einem Schiff war, hat mich der Virus gepackt und nicht mehr losgelassen.“

Die Kommandobrücke mit ihren Hightech-Arbeitsplätzen, ©Sabine Burger, Alexander Schwarz, 014-01-30_P1000737_00031
Die Kommandobrücke mit ihren Hightech-Arbeitsplätzen, ©Sabine Burger, Alexander Schwarz

„Nach meinem Studium der Pädagogik und der Offiziersausbildung fahre ich jetzt in 27 Dienstjahren schon fast 20 Jahre zur See. Das ist weit mehr als für einen Marineoffizier üblich. Der Durchschnitt liegt bei 12 bis 15 Jahren auf See. Die meisten finden es angenehm, dass, wenn sie eine Familie gegründet haben, sie mehr Zuhause sein können. Angestrebter Flottendurchschnitt ist eine Abwesenheit vom Heimatstandort, von durchschnittlich 180 Tagen, in der Realität sind es aber doch eher 200. Aufgrund der besonderen Situation mit dem Schiffsneubau und den Testfahrten der ‚Bonn‘ war ich selbst in den letzten 360 Tagen eher nur 60 Tage Zuhause. Das ist dann schon extrem. Bisher kann meine Familie, ich habe eine Frau und zwei erwachsene Töchter, und ich ganz gut damit umgehen.
Die meisten Besatzungsmitglieder sind unter 30 Jahren und davon sind vielleicht so ein Viertel verheiratet. Die Älteren wohnen oft auch in Wilhelmshaven, die Jüngeren verlegen ihren Lebensraum in Deutschland eher nicht so schnell.“

Im Schiffstechnischen Leitstand der FGS Bonn, Sabine Burger, Alexander Schwarz, 2014-01-30_P1000743_00037
Im Schiffstechnischen Leitstand der FGS Bonn, Sabine Burger, Alexander Schwarz

Schon beim Betreten des Schiffsinneren fiel gleich der höhere Druck im Schiff auf. Jetzt, bei einem kleinen Rundgang durch das Schiff, über die Außendecks, tritt dasselbe Phänomen auf. Die Außentüren sind eigentlich Schleusen. Bevor die eine Tür nicht zu ist, wir die nächste Tür nicht geöffnet.

„Das dient unserer Sicherheit“, erläutert der Kommandant. „Da im Schiff immer ein höherer Druck als draußen herrscht, können bei einem Angriff mit chemischen Kampfstoffen keine giftigen Stoffe ins Schiffsinnere gelangen. Unsere Klimaanlage an Bord ist selbstverständlich mit entsprechenden Filtern ausgestattet.“

Die ‚Bonn‘ hat mit der ‚Berlin‘ und der ‚Frankfurt am Main‘ zwei ältere Schwesternschiffe. Von der technischen Ausrüstung unterscheidet sich unser moderner ausgerüstetes Schiff aber um mehr als 80%. So können wir bei einer Verdrängung von ca. 20.000 Tonnen dank unserer zwei neuen Dieselmotoren, die jeweils fast 10.000 PS liefern (7.200 kW), etwas über 20 Knoten (37 km/h) fahren.

Der Hubschrauberlandeplatz auf der FGS Bonn. Im Hangar hat es Platz für zwei große Hubschrauber. ©Sabine Burger, Alexander Schwarz, 2014-01-29__MG_2826_00004
Der Hubschrauberlandeplatz auf der FGS Bonn. Im Hangar hat es Platz für zwei große Hubschrauber. ©Sabine Burger, Alexander Schwarz

„Auf einem nagelneuen Schiff zufahren ist schon was besonderes. Ich war bereits während der Bauphase des Schiffes beteiligt. Dies ist unsere erste wirkliche Testfahrt. Jetzt werden alle Systeme und Funktionen auf Herz und Nieren geprüft. Funktionieren die verschiedenen Navigationssysteme für Luft, Wasser, Hubschrauber einwandfrei, auch mit Eisbergen in der Nähe, laufen die Schiffsmotoren gut, ist der Anstrich unter Wasser gut genug, wie verhalten sich die Kühlwassersysteme in kaltem Atlantikwasser und im warmen Wasser am Äquator? All diesen Dingen und noch viel mehr Details gehen wir nach. Während der jetzigen viereinhalb Monate dauernden Fahrt, haben wir auch Ingenieure und Techniker an Bord, um alles durchzutesten. Da kann es schon mal vorkommen, dass wir einen Tag nur im Kreis fahren, um das Verhalten der Ruderblätter zu beobachten.“

„Überhaupt ist dies eine besondere Reise. Wir fahren jetzt zunächst im kalten Atlantik. Wegen der Stürme letzte Woche, haben wir sogar eine nördlichere Route genommen als ursprünglich geplant und haben wir den nördlichen Wendekreis überquert. Nach Island geht es über Grönland Kanada und New York. Danach geht es in südlichere Gewässer, und wir fahren in die Karibik, bevor wir auf Höhe des Äquators Richtung Afrika unsere Reise fortsetzen.“

Sicht von der Kommandobrücke: im Vordergrund einer der Kräne und die Containerstellplätze. Dahinter links und rechts die Schläuche zur Betankung anderer Schiffe auf hoher See, ©Sabine Burger, Alexander Schwarz, 2014-01-30_P1000728_00022
Sicht von der Kommandobrücke: im Vordergrund einer der Kräne und die Containerstellplätze. Dahinter links und rechts die Schläuche zur Betankung anderer Schiffe auf hoher See, ©Sabine Burger, Alexander Schwarz

„Die Aufgabe eines Einsatzgruppenversorgers besteht darin, andere Schiffe mit allem zu versorgen, was notwendig ist. Das geht von Essensvorräten, WC-Papier, Medikamente und Ersatzteile bis hin zu Waffen und Dieselkraftstoff. Wir können fast 9.000.000 l Diesel transportieren und gleichzeitig zwei andere Schiffe über Stahlkabel und Schläuche während der Fahrt mit einem Druck von 600.000 l pro Stunde betanken. Typischerweise werden so 300.000 bis 400.000 l pro Betankung auf das andere Schiff gepumpt. Mit einem Kreiselkompass können wir aufs Grad genau fahren und die Betankung bis zu einer Wellenhöhe von bis zu 6 Metern ausführen.“

„Außerdem haben wir zwei große Kräne an Bord, sodass wir selbst ohne fremde Hilfe Waren laden und löschen können. So können wir eingerichtet in Seecontainern als ein zweigeschössiges Kreiskrankenhaus, inklusive Intensivstation und Operationsräumen dienen. So geschehen bei unserem Schwesternschiff Berlin nach dem Tsunami im Stillen Ozean 2004. Auch können wir zur Evakuierung beispielsweise in Bürgerkriegsgebieten eingesetzt werden.“

Fregattenkapitän Björn Laue in Reykjavík vor der FGS Bonn mit dem Wappen der Bundesstadt, mit der enge Beziehungen gepflegt werden. ©Sabine Burger, Alexander Schwarz, 2014-01-29__MG_2856_00018
Fregattenkapitän Björn Laue in Reykjavík vor der FGS Bonn mit dem Wappen der Bundesstadt, mit der enge Beziehungen gepflegt werden. ©Sabine Burger, Alexander Schwarz

„Im Moment besteht unsere Besatzung aus ca. 150 Leuten, darunter ein Dutzend Frauen. Während eines normalen Einsatzes wird die Besatzung zwischen 167 und 239 Personen stark sein. Davon arbeiten alleine schon 10–12 Mann auf der eindrucksvollen Brücke und ist der Schiffstechnische Leitstand 24 Stunden an allen 365 Tagen im Jahr besetzt. Wir haben viele verschiedene Berufsgruppen an Bord. Unter anderem Navigatoren, Ingenieure, Techniker, Taucher, Köche, Ärzte. Eigentlich sind wir wie ein kleines Dorf. Schließlich sind wir auf See auf uns selbst gestellt und müssen für uns selbst sorgen.“

„Für mich selbst habe ich meine Lebenserfüllung gefunden. Vieles in meinem Leben schien ein Zufall zu sein, aber letztendlich war es wohl immer die richtige Entscheidung. Ich bin jedenfalls glücklich und zufrieden. Mir graut es davor, den ganzen Tag an einem Schreibtisch sitzen zu müssen. Mir gefällt es, mit Menschen zu arbeiten, zu sehen wie sie in ihrem Beruf und in ihrer Persönlichkeit wachsen. Und dabei fahre ich einfach am liebsten zur See. Ich muss auch nicht jeden Tag in einem Hafen anlegen, ich bin gern auf den Meeren unterwegs. Hier bin ich in meinem Element. Das ist meine Lebensart. Und mit dieser Mannschaft der FGS Bonn die erste Auslandsfahrt eines der größten Schiffe der Marine zu unternehmen, ist eine besondere Aufgabe und schöne Herausforderung.“