Walbeobachtung auf der Andrea

Von Reykjavík aus kann man das ganze Jahr über auf Walbeobachtung fahren. Die verschiedenen Anbieter legen alle vom alten Hafen aus ab. Wir haben uns dieses Mal für Life of Whales und ihr Schiff “Andrea” entschieden, denn sie garantieren als einziger Anbieter bei jeder Tour einen deutschsprachigen Guide.

Kurz vor dem Ablegen der Andrea, ©Sabine Burger, Alexander Schwarz, 2012-04-22__MG_6030_00072
Kurz vor dem Ablegen der Andrea

“Die letzten fünf Tage hatten wir jedesmal Buckelwale, die sogar direkt vor dem Schiff aus dem Wasser gekommen sind”, begrüßt uns Reiseleiter Björn in akzentfreiem Hochdeutsch. Die deutsche Reiseleitung ist wirklich eine große Erleichterung, denn wer kennt schon die englischen Bezeichnungen für die zahlreichen Seevögel und Walarten. Wir haben Glück: Die Sonne scheint, es herrscht fast kein Wind, der Seegang ist also auch für schwache Mägen mehr als erträglich. Die Andrea ist das größte Schiff der isländischen Walbeobachtungsflotte. Außerdem ist es barrierefrei für Kinderwägen und Rollstühle und bietet kostenlos Kälteschutzanzüge, um dem isländischen Wind zu trotzen.

Gespannte Vorfreude während der Ansage über Rettungsringe und -boote. ©Sabine Burger, Alexander Schwarz, 2012-04-22__MG_6050_00082
Gespannte Vorfreude während der Ansage über Rettungsringe und -boote.

Während wir aus dem Hafen ausfahren erklärt Björn in munterem Ton die Sicherheit an Bord. Wir fühlen uns sofort erleichtert, als wir hören, dass die Rettungsinseln um ein Vielfaches mehr Personen aufnehmen können, als heute auf dem Schiff sind. Darüber hinaus bekommen wir einen guten Überblick über die Sehenswürdigkeiten in der Reykjavíker Bucht. Björn hat sichtlich Spaß an seiner Arbeit.

Angekommen bei den Futtergründen erklärt man uns genau, wie man die Wale sichtet. Grunsätzlich halten wir Ausschau nach fischenden Vögeln, dunklen Rückenflossen und dem sogenannten Blas, dem Atem der Wale. Das ist schwerer als man denkt. Hier sucht man die Wale immer noch auf traditionelle Weise, mit den Augen. “Das ist umweltfreundlich und nachhaltig”, meint Kapitän Jonas, “Ein Sonar würde uns die Suche vereinfachen. Aber damit stören wir die Kommunikation der Tiere und vertreiben sie aus der Bucht. In einigen Fällen stranden die Wale sogar. Auf längere Sicht ist es besser, unsere Augen für die Suche zu benutzen.” Jonas arbeitet bereits seit 40 Jahren auf See und hat ein geschultes Auge, um Wale zu finden.

Weißschnauzendelfin, ©Sabine Burger, Alexander Schwarz, 2012-04-22__MG_6326_00195
Weißschnauzendelfin

In der Bucht von Reykjavík gibt es ganzjährig vier große Meeresbewohner. Neben den richtig großen Buckelwalen, die bis zu 17 Meter lang und 40 Tonnen schwer werden, gibt es häufig auch Zwergwale. Der Name täuscht, denn Zwergwale werden stattliche 10 Meter lang und 10 Tonnen schwer. Als Vertreter der Zahnwale sieht man oft Weißschnauzendelfine und Schweinswale, die neugierig zum Schiff geschwommen kommen. “Eigentlich sehen wir auf fast jeder Tour etwas. Es ist höchst selten, dass keine der vier Arten hier aufkreuzt. Scheinbar mögen sie unsere Bucht”, erzählt Katharina, die das Marketing von Life of Whales betreut.

Obwohl noch relativ früh im Jahr, treffen wir sogar auf die ersten Papageitaucher mir ihren fröhlich farbigen Schnäbeln. In den Sommermonaten fährt das Schiff auch zu den Nistplätzen der beliebten Seevögel. Weiter vorne am Horizont sehen wir Vögel auf dem Wasser sitzen. Aha, dies könnte also ein Ort sein, an dem sich die Meeressäuger gerade zu einem ordentlichen Mittagessen aufhalten. Und tatsächlich: “11 Uhr nur 20 Meter vor uns”, ruft Björn über die Lautsprecher. Ich stehe zwar ganz vorne auf dem Schiff, bin aber zu langsam, um mehr als nur Wellen zu erkennen. Ein paar Minuten später aber schwimmt ein Zwergwal direkt vor uns, taucht kurz aus dem Wasser auf und gleitet mit gebogenem Rücken wieder unter Wasser. Und schon nach kurzer Zeit haben uns fünf Zwergwale umzingelt und schwimmen in einem Abstand von 10 bis 100 Metern um unser Schiff. Sie zeigen beim Auftauchen ganz kurz ihre Schnauze und prusten anschließend ihren Atem aus dem Wasser, bevor die Rückenflosse wieder in den Fluten verschwindet.

Das tut jetzt gut: heiße Schokolade und ein Sandwich. ©Sabine Burger, Alexander Schwarz, 2012-04-22__MG_6363_00005
Das tut jetzt gut: heiße Schokolade und ein Sandwich.

“Schauen sie ins Wasser auf 3 Uhr, direkt neben dem Schiff!”, ruft Björn plötzlich. Da schwimmt doch tatsächlich ein neugieriger Weißschnauzendelfin direkt am Schiff entlang. Man kann deutlich seine weißgrauen Flecken auf dem Rücken erkennen. Alle schauen jetzt angestrengt auf das Wasser, jeder will den nächsten Wal entdecken. Es herrscht Euphorie und Freude auf dem Schiff. Nachdem sich alle sattgesehen haben, lassen wir die Zwergwale in Frieden weiter fressen und begeben uns auf den Heimweg. Zum Glück gibt es an Bord auch eine kleine Cafeteria mit heißen Getränken, Sandwiches und Hotdogs. Während der Rückfahrt ein gut frequentierter Ort. Die frische Luft macht durstig und hungrig. Als wir uns gerade die Hände an einer heißen Schokolade wärmen, kommt schon wieder eine Ansage: “Schweinswale vorraus!” Dieses Mal begnügen wir uns damit, die Tiere vom Fenster aus zu beobachten. Ein luxuriöses Gefühl.

Unser Fazit: Das geräumige Schiff und die deutschsprachige Führung machen die Walbeobachtung auf der Andrea zu einem kurzweiliger Halbtagesausflug für die ganze Familie.