Víkingur Heiðar Ólafsson und das Reykjavík Midsummer Music-Festival (2/2)

Der noch junge, aber bereits international renomierte isländische Konzertpianist und Festivalgründer und -leiter Víkingur Heiðar Ólafsson im zweiten Teil des Interview mit www.inReykjavik.is kurz vor seinem Festival Reykjavík Midsummer Music 2015.

—> Zum ersten Teil des Interview geht’s hier.

Konzertpianist und Festivalleiter Víkingur Heiðar Ólafsson, ©Sabine Burger, Alexander Schwarz, 2015-06-17__MG_9372_00110
Konzertpianist und Festivalleiter Víkingur Heiðar Ólafsson, ©Sabine Burger, Alexander Schwarz

Reykjavík Midsummer Music
„Im Sommer bin ich aber sehr gerne auch hier in Island. Darum organisiere ich mein Festival auch im Sommer. Dann habe ich eine gute Ausrede, um hier einige Wochen die langen Tage genießen zu können.”

“Und ich habe mir realisiert, dass ein solches Festival genau das ist, was ich eigentlich immer tun wollte. Und mit der Harpa habe ich jetzt auch eine passende Stätte gefunden.
Was mir vorschwebte war, dass ich einige der international feinsten Musiker, Solisten von Weltklasse, die ich persönlich kenne und mit denen ich schon gespielt habe, mit wundervollen isländischen Musikern zusammenbringen und wir einen musikalischen Date miteinander haben. Und ich wollte es rund um die Mittsommernacht haben. Man schläft dann etwas weniger, ist wacher, lebhafter.“

„Die zweite Idee ist, um jeden Mal ein Thema haben, um das sich das Festival entwickelt. Das gibt mir einen interessanten Kader, um den herum ich arbeiten kann. Ein Festival wie das meine ist eigentlich eine Kunstform in sich. Hat man nur ein Konzert, so hat dieses seinen eigenen Spannungsaufbau. Bei einem Festival wie diesem ist es wiederum eine andere Sache. Zum einen möchte ich, dass all die Konzerte gänzlich unterschiedlich sind. Zum anderen sollten sie aber auch alle unter einen gemeinsamen Bogen passen.“

Farbenfroh – das Reykjavík Midsummer Music-Festival, ©Sabine Burger, Alexander Schwarz, 2015-06-17_P1160192_00064
Farbenfroh – das Reykjavík Midsummer Music-Festival, ©Sabine Burger, Alexander Schwarz

Keine Berührungsängste
„Die dritte Idee schließlich ist, Musik in einem frischen Umfeld zu spielen. Mir kommt es nicht darauf an, in welche Schublade die eine oder andere Art von Musik gesteckt wurde. Für mich ist nur die Musik wichtig. Und ob diese oder jene Musik mich anspricht, ob sie zu mir spricht. Ob das dann Klassik, Jazz, Electric oder anspruchsvoller Rock ist, tut eigentlich nicht so viel zur Sache. So habe ich ich schon mit Björk zusammengespielt und spiele ich beim diesjährigen Festival selbst bei einer Rockband mit.“
„Ich mixe all diese Formen in meinem Festival durcheinander. Solange die Musik nur zu mir spricht, in mir Anklang findet, und sich die Stücke auf inspirierende Art und Weise zueinander verhalten.“

Ein Vorgeschmack in den Gängen der Harpa auf was das Reykjavík Midsummer Music-Festival bringen wird. ©Sabine Burger, Alexander Schwarz, 2015-06-17_P1160128_00022
Ein Vorgeschmack in den Gängen der Harpa auf was das Reykjavík Midsummer Music-Festival bringen wird. ©Sabine Burger, Alexander Schwarz

„Das diesjährige Festivalthema Imitation zeigt sich beispielsweise sehr schön an dem Konzert (Harpa, 19. Juni, 20 Uhr), indem wir zunächst Stücke von Igor Strawinsky und Alfred Schnittke spielen. Die Stücke, die ich ausgesucht habe, imitieren die Musik früherer Jahrhunderte. So imitiert Strawinsky einen Barockstil, während Schnittke die klassische Periode nachahmt. In der zweiten Hälfte spielen wir, nach all den schönen Streichern, als Quintett mit der Besetzung Piano, Hammond-Orgel, Schlagzeug, Elektrobass, Gitarre, Bilder einer (anderen) Ausstellung von Modest Mussorgsky. Wir nennen es so, weil wir imitierend und improvisierend versuchen ganz anders an dieses Stück heranzugehen.“

„In The Voice of the Whale, unserem Eröffnungskonzert (Harpa, 18. Juni, 20 Uhr) spielen wir musikalische Kompositionen von Tierimitationen – von den letzten Stunden einer Stechfliege bis zu Walen gibt es alle möglichen Tiergeräusche, die durch die Jahrhunderte komponiert wurden, zu hören. Eine mitunter spassige und verrückte Angelegenheit.
In der Hallgrímskirkja (20. Juni, 15 Uhr) werden Davið Þór Jónsson an der Orgel, dem größten Instrument in Island, und der Bassist Skúli Sverrisson eine nicht nur klangbildlich eine besondere Imitation und Improvisation spielen.“

Schwungvoll: Die amerikanische Pianistin Marianna Shirinyan gibt eine Kostprobe ihres Könnens. ©Sabine Burger, Alexander Schwarz, 2015-06-17__MG_9278_00059
Schwungvoll: Die amerikanische Pianistin Marianna Shirinyan gibt eine Kostprobe ihres Könnens. ©Sabine Burger, Alexander Schwarz

„Wir haben sogar ein etwas literarisches Konzert auf dem Programm (Harpa, 21. Juni, 15 Uhr), indem es sich um die Göttliche Komödie von Dante Alighieri und den Teufel dreht. Wir beginnen mit der Sonate für Violine in g-Moll vom Giuseppe Tartini, auch genannt die Teufelstrillersonate. Tartini hörte im Schlaf den Teufel technisch und musikalisch so brillant Violine spielen, dass er, sobald er aus dem Schlaf erwacht war, versucht hat zu imitieren, was der Teufel gespielt hat. Dann gibt es eine Lesung (mit englischen Untertiteln) aus der Göttlichen Komödie – und zwar aus dem letzten Teil, dem Inferno. Daraufhin spielt Marianne Shirinyan ein Stück, dass Franz Liszt unter Einfluss der Göttlichen Komödie komponiert hat. Und danach dann noch Davíð Þór Jónsson, der hierauf in einer Improvisation reagiert.“

Víkingur Heiðar Óalfsson und Halla Oddný Magnúsdóttir, ©Sabine Burger, Alexander Schwarz, 2015-06-17__MG_9406_00127
Víkingur Heiðar Óalfsson und Halla Oddný Magnúsdóttir, ©Sabine Burger, Alexander Schwarz

Graue Stunde
„Am Ende jedes Festivaltages spielen wir im Mengi jeweils um 23 Uhr Konzerte, in etwas ungezwungener Atmosphäre bei denen ich auch noch nicht so genau weiß, was geschehen wird. Darum haben wir diese auch Grey Area genannt. Ich werde dort beispielsweise einen Satz aus der Mondscheinsonate, gefolgt vom letzten Werk Shostakowitschs spielen, in dem er ständig Beethoven zitiert. Und wer weiß, besuchen uns da auch nationale und internationale Musikerkollegen und wir werden etwas zusammen spielen oder Lieder singen.“
„Ich nenne es Grey Arena nach der grauen Stunde Frederique Chopins. Er hatte von 23 bis 1 Uhr Zugriff auf ein Klavier und es wird gesagt, dass Chopin ein guter Pianist war vor Mitternacht, aber ein grandioser danach.“

„Ich möchte, dass jedes meiner Festivals wieder vollkommen anders wird, etwas Neues in sich birgt. Das bedeutet, dass man immer wieder ein großes Risiko eingeht.“
Mit seinem Elan und seiner Überzeugung wird ihm das ohne Zweifel gelingen.
Als wir wieder aufstehen, sind wir immer noch die einzigen Gäste. Víkingur freut sich bereits auf die gleich im Anschluss angesetzte ersten Probe eines langen Tages.