Wally – Straßenkünstler, Clown, Akrobat und Zirkus-Chef

Wally arbeitet schon seit mehr als 20 Jahren als Straßenkünstler, Clown und Akrobat. Dabei ist er erst 38. Was ihn antreibt, wie er nach Island kam und dort anfing den ersten isländischen Zirkus aus dem Nichts aufzubauen. Ein Interview mit einem, der seine Passion zum Beruf gemacht hat.

Wally, der Straßenkünstler – zu Hause in Island und der ganzen Welt, ©Sabine Burger, Alexander Schwarz, 2013-06-28__MG_4625_00090
Wally, der Straßenkünstler – zu Hause in Island und der ganzen Welt

„Eigentlich kam ich hierher, weil ich mich langweilte. Ich arbeitete als Straßenkünstler und als Akrobat in verschiedenen Ländern. Irgendwie war es so, dass ich immer wieder von denselben Gesellschaften gefragt wurde, und das wollte ich einfach nicht mehr. So vor acht Jahren, mitten in der angenehm warmen Kirschblütensaison Japans habe ich von dort aus ein einfaches Ticket nach Island gekauft. Es war Mai, als ich ankam, es regnete, es war kalt. Und ich fand es trotzdem faszinierend. Also blieb ich.“

„Ich hatte damals das Gefühl, ich müsse mich irgendwie selbst definieren. Und in der Zwischenzeit habe ich die meiste Zeit meines bisherigen Lebens, mit der Ausnahme Australiens, meines Geburtslandes, in Island verbracht. Ich war eigentlich schon immer viel unterwegs: Zunächst ging ich in Neuseeland zur Schule, aufgewachsen bin ich dann aber vor allem in Südafrika. Und mit 16 bin ich losgezogen und habe mir als Straßenkünstler mein Brot verdient. Auf diese Weise habe ich in den letzten 20 Jahren 120 Länder bereist.“

„Und noch immer bin ich unabhängig. Ich lebe mein Leben wie ein Straßenkünstler: Alles was ich tue, muss auch einen Wert haben, der sich in Geld niederschlägt, anders kann ich abends nichts essen. Und ich bin nicht stehen geblieben. Es gab in Island damals noch keinen Zirkus, überhaupt keine Tradition. Also habe ich 2007 den Sirkus Íslands gegründet. Und siehe da, in der Zwischenzeit sind wir 20 Artisten und spielen wir so 400 Mal im Jahr, meist auf Anfrage von Firmen. Wir treten auch international auf, und in der Zwischenzeit sind drei meiner Schützlinge auf renommierten europäischen Zirkusschulen zugelassen. Das bedeutet, dass ich es doch ganz schön viel Leuten ermöglichen kann, etwas Besonderes zu tun und zu sein, und doch angemessen dafür bezahlt zu werden, um ein ,normales‘ Leben führen zu können. Und meine Frau, die auch als Artistin arbeitet, und meine zwei Kinder können auch ganz ordentlich davon leben.“

Wally in Action in Downtown Reykjavík – Staunen und Lachen garantiert, ©Sabine Burger, Alexander Schwarz, 2012-06-02__MG_9288_00008
Wally in Action in Downtown Reykjavík – Staunen und Lachen garantiert

Neben seiner Arbeit als Chef des Sirkus Íslands, zieht es Wally der eigentlich Lee Nelson heißt, noch immer auf die Straße. Und wann immer er kann und das Wetter es zulässt, macht er sich in die Innenstadt Reykjavíks auf (meist auf der Austurstræti, der Verlängerung von Laugavegur und Bankastræti) und führt eine dreiviertelstündige Vorstellung mit einer gelungenen Mischung aus Akrobatik und Humor auf, bei der sich regelmäßig eine Traube faszinierter Zuschauer bildet, die schnell die ganze Kreuzung verstopft.

„Mein Hauptziel ist es, Leute genießen zu lassen, sie zu unterhalten. Und zwar so, dass sie nach so 45 Minuten denken, wow, habe ich da schon so lange zugeschaut, gestaunt und gelacht! Ich definiere mich als Straßenkünstler. Das ist für mich wahre Liebe zur Welt, es definiert mich als Person, als Mann, als Mensch. Deshalb werde ich auch immer Straßenkünstler bleiben.“

„Für mich war es immer ein Traum, nicht nur im Ausland, sondern auch mal hier in Reykjavík in einem Zelt auftreten zu können. Als Zirkusartist möchte man einfach in einem Zelt auftreten, das ist unser natürlicher Lebensraum. Aber hier in Island gibt es keine Zirkuszelte. Diesen Sommer wird mit dem Volcano Zirkusfestival vom 4.–14. Juli für mich deshalb ein Traum wahr. Endlich kann ich auch mit meinen Leuten hier in Island richtige Zirkusluft schnuppern.“

Zirkus ist seine Leidenschaft. Und so brachte Wally den Zirkus auch nach Island. ©Sabine Burger, Alexander Schwarz, 2013-06-28__MG_4551_00056
Zirkus ist seine Leidenschaft. Und so brachte Wally den Zirkus auch nach Island.

„Zirkus wie ich ihn verstehe hat nichts zu tun mit den alten Klischees, von schmuddelig und Zigeuner und faul und was weiß ich nicht alles. Abgesehen davon, ob diese Klischees jemals richtig waren. Zirkus hat für mich auch nichts mit Tieren zu tun, wie das ja in Ländern wie Deutschland oft der Fall ist. Der ,neue Zirkus‘, wie das dann gerne genannt wird, lebt immer vom Menschen. Es gibt Leute, die sagen, das Alte war nicht gut. Aber die alten Strukturen gibt es noch immer. Den Zirkusdirektor als Ansager, die Clowns. Aber heute wollen die Leute lieber nicht für € 10 auf harten Holzbänken lachen und staunen. Heute wollen sie lieber € 150 bezahlen und als Kunden bedient werden. Aber ich finde, der Zirkus gehört der Familie und es ist ein besonderes Erlebnis, das erschwinglich sein sollte und echt.
Wenn ich eine Keule fallen lasse oder umfalle, tja, dann habe ich einen Fehler gemacht und jeder sieht es. Das ist etwas anderes als vor dem Fernsehen sitzen und sich gelackte Shows anzusehen. Im Zirkuszelt sitzt man dicht auf den Artisten, hört uns atmen, hört unsere Schritte im Ring, wie die Hand gerade noch rechtzeitig die Schaukel greift. Es wird immer Leute geben, die Zirkus mögen und nicht mögen. Aber der Zirkus ist echt – hier kann man nicht mal kurz auf Pause oder Wiederholung drücken.“

„Im Zeltdorf vor dem Norræna húsið präsentiert sich auf dem international hochkarätig besetzten Volcano-Festival der Sirkus Íslands mit vier verschiedenen Vorstellungen.
Heima er best (Trautes Heim) ist eine Familienvorstellung, S.I.R.K.U.S. ist eine Vorstellung für Kinder, Skinnsemi (was so etwa Hautblitz) bedeutet ist für Erwachsene gedacht und mit der Wally-Show werde ich mit zwei alten Artistenfreunden eine Vorstellung gewürzt mit Akrobatik und Situationskomik für die ganze Familie zum Besten geben. Da gibt es für die Kinder viel zu lachen und für die Erwachsenen lassen sich auch teilweise Ironie und Tiefgründiges herauslesen.“

„Skinnsemi ist eigentlich ein Zirkusvarieté. Und da Deutschland das einzige Land ist, das noch immer eine Varietékultur kennt, kommt in dieser Vorstellung sogar ein bisschen Deutsch vor.
Übrigens ist praktisch für alle Vorstellungen Sprache kein Problem. Im Zirkus geht es schließlich um die Akrobatik, mit der wir unsere kleinen Geschichten mitteilen, und die sich daraus entwickelnde Situationskomik.“