Gerður Kristný – Die grüne Bluse meiner Schwester

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Die Autorin Gerður Kristný, ©Sabine Burger, Alexander Schwarz

In ihrem tragikomischen Roman erzählt die vielfach prämierte Autorin Gerður Kristný von Frida, einer jungen Frau, die sich endlich von den Fesseln ihrer Kindheit lößt und ihr Leben auf die eigenen Beine stellt, unabhängig von der Meinung und den Wünschen Anderer. Mit ihrer wundervollen Sprache und ihrem feinem, mitunter durchaus schwarzen Humor versteht Gerður Kristný auf unterhaltsame Weise die Garstigkeiten einer unglücklichen Kindheit und die Gemeinheiten die das Leben auch der Erwachsenen so bieten mit leichter Feder auf den Punkt zu bringen. Aber auch, wie sich Frida letztendlich von ihren alten Abhängigkeiten und Mustern losmacht, und sie, indem sie sich für sich selbst entscheidet, zu ihrem eigenen Leben und Glück findet. Für Die grüne Bluse meiner Schwester erhielt die Autorin, die sich vor allem als Lyrikerin einen Namen gemacht hat, den Halldór Laxness-Literaturpreis.

Fridas Vater ist gestorben. Auf den Kuchen, der zum Leichenschmaus vom Bäcker in ihr Elternhaus geliefert wird, steht „Aron Snær 6 Jahre“. Aber ihre Mutter hält sich tapfer den ganzen Tag über, der Schein muss schließlich gewahrt bleiben. Ihre Schwester Gubba dagegen, weint und weint, auch da muss ein Schein gewahrt werden. Da sie ihre eigene Bluse gleich mit Kaffeeflecken befleckt hat, bekommt sie eine alte Bluse ihrer Mutter, die grüne Bluse, die Frida an ihre Kindheit erinnert. Eine Kindheit, an die sie nicht so gerne denkt. Ihre Mutter zog Gubba deutlich vor, war ungerecht zu Frida, hart. Frida dagegen war der Augapfel ihres Vaters. Aber der Anwalt hat zu Hause nicht das Sagen. Und so bleibt ihr nichts anderes übrig, als ihren Schmerz herunterzuschlucken.

Die international mit Preisen dekorierte Romanautorin und Lyrikerin Gerður Kristný, ©Sabine Burger, Alexander Schwarz, IMG_0166__2009-09-11_11-01-02_aA
Die international mit Preisen dekorierte Romanautorin und Lyrikerin Gerður Kristný, ©Sabine Burger, Alexander Schwarz

Frida ist Mitte zwanzig und arbeitet als Verkäuferin in einer Parfümerie in der Innenstadt. Passend, denn sie muss die Bedürfnisse der anderen erkennen und mit ihren Launen und Sticheleien oder gar Gemeinheiten umgehen. Etwas, was sie schon früh als Kind gelernt hat.
Aber nach dem Tod ihres Vaters sucht sie etwas Neues. Sie ist es satt, immer nur die Launen anderer aushalten zu müssen und nicht ihr eigenes Leben führen zu können. Sie möchte Journalistin werden, und ihre Chefin vermittelt ihr ein Bewerbungsgespräch. Tatsächlich wird Frida auf angenommen – allerdings mit einem heiklen Auftrag. Sie soll sich für ihre neue Chefin, Arna, gleich bei einem anderen Blatt bewerben und dort ausspionieren, womit die Konkurrenz beschäftigt ist, über welche Themen sie schreiben, welche Reportagen sie vorbereiten. Sie soll zwischenzeitlich nur ihrer Chefin berichten und schließlich ein längeres Stück darüber schreiben.
Frida ist so froh, dass sie einen neuen Job hat, dass sie trotz allem zusagt. Und so bewirbt sie sich ein zweites Mal, und bekommt auch diesen Job. Die Redaktion der Konkurrenz besteht ausschließlich aus Männern. Männer, die sich weiblichen Reizen und dem Alkohol durchaus angezogen fühlen und sich wenig Mühe geben, ihr Verhalten und die Wortwahl in Gegenwart einer Frau zu verändern. Aber Frida weiß ihren „Mann“ zu stehen, geht mit den Kollegen gar auf Sauftour, erträgt ihre Witze – und gewinnt diese Raubeine doch auch ein wenig lieb, schließlich haben sie hinter der rauen Schale doch alle ein gutes Herz.

Eine junge Frau geht ihren eigenen Weg: Die grüne Bluse meiner Schwester, ©Sabine Burger, Alexander Schwarz, 014-04-05_P1020975_00007
Eine junge Frau geht ihren eigenen Weg: Die grüne Bluse meiner Schwester, ©Sabine Burger, Alexander Schwarz

Als sie ihrer echten Chefin im Vertrauen erzählt, dass einer der Journalisten bei einer Reportage über eine Suchtklinik, gar nicht Undercover in der Klinik war, wie er im Artikel vorgibt, und sie diese Informationen doch zur Publikation verwendet, ist das Maß für Frida voll. Ihr dämmert, dass sie eigentlich wieder nichts anderes gemacht hat, als die Bedürfnisse und Launen Dritter zu befriedigen und auszuhalten. Sich für deren Vorteil ausgegeben zu haben, aber letztendlich mit leeren Händen da zu stehen. Genauso wie als Kind, als es nur darum ging, dass ihre Mutter und ihre Schwester Nutzen aus ihr zogen. Ob Gubba sie nun bei der Entlohnung fürs Zeitung austragen regelmäßig betrog oder ihre Mutter ihr einfach immer Unrecht gab, wenn sie sich wieder mal mit ihrer Schwester stritt. Oder gar jetzt, nach dem Tod ihres Vaters, als ihre Mutter und ihre Schwester ihren Erbanteil einfach an sich nehmen und das Geld auf einem Spanienurlaub verplempern. Und so kann sich Frida die lange ersehnte Wohnung nicht kaufen.

Frida realisiert, dass sie kein richtiges Leben im falschen führen kann. Deshalb entscheidet sie sich, ihre Reportage nicht an Arna zu geben, sondern stattdessen ein Buch über ihren Auftrag zu schreiben. Nachdem sie dies Arna, an einem Sommertag auf einer Parkbank am Tjörnin, dem See im Zentrum Reykjavíks, mitgeteilt hat, fühlt sie sich befreit. Sie steigt in den Bus, hört im Radio des Busfahrers Louise Armstrong „What a wonderful world“ singen. Sie ist zwar ihre Stelle los und hat keine Ahnng wie es weitergeht mit ihr. Aber sie ist endlich bei sich angekommen, fühlt sich so leicht und glücklich wie noch nie in ihrem Leben.

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