Claus von Sterneck – ein deutscher Künstler in Island

Fotografie und Klang sind die künstlerischen Mittel des 1970 in Frankfurt am Main geborenen Künstlers Claus von Sterneck. Seit 2008 wohnt er in Island. Die beiden Jahre davor war er bereits jeweils im Sommer auf der Insel bevor er sich entschied, ganz hier zu bleiben. Dreiviertel des Jahres wohnt er nun in der Hauptstadt Reykjavík. Im Sommer zieht es ihn in die Westfjorde nach Djúpavík wo er dieses Jahr zum neunten Mal im Hotel mithilft und zum zweiten Mal die Fotoausstellung Steypa mit internationalen Künstlern organisiert. Seine Fotografien waren schon in mehreren Ausstellungen in Island und im Ausland zu sehen. Claus von Sterneck im Interview mit www.inReykjavik.is.

Soundcards – Postkarten mit Link zur gleixhzeitigen Geräuschkulisse, ©Sabine Burger, Alexander Schwarz, 2014-05-29__MG_8582_00008
Soundcards – Postkarten mit Link zur gleixhzeitigen Geräuschkulisse, ©Sabine Burger, Alexander Schwarz

Ein Foto Pro Tag – One Picture Per Day
„Ich möchte ganz bewusst nicht, beziehungsweise nur nebensächlich, die Highlights Islands zeigen. Oft nehme ich einen anderen Blickwinkel ein, zeige den Alltag, scheinbar Banales.
So auch bei meinem Projekt ‚One Picture Per Day‘ (‚Ein Foto Pro Tag‘), bei dem ich jeden Tag ein Foto auf meiner Facebook-Seite veröffentliche – ein Bild, welches ich an selbigen Tage in Reykjavík aufgenommen habe. Das kann ein Ort sein, an dem ich jeden Tag vorbeilaufe, der mir aber erst jetzt auffällt, oder Stadtszenen, Wolken, Abfall, Schaufenster, Kunst, Nichtiges u.v.m. Island ist mehr als nur Natur, Berge und Wasserfälle – und das möchte ich mit diesen Fotos zeigen.
Im Alltag gibt es keine bestellten Bilder. Ich fotografiere oft rein nach Gefühl. Ich drücke ab und fühle ‚Das ist es!‘. Die Kamera in meiner Hand ist sozusagen mein drittes Auge. Sie kann Dinge sehen, die ich mit meinen anderen zwei Augen nicht sehen kann.
Auch spielt der Zufall oft eine Rolle. Ich konstruiere meine Bilder nicht, achte nicht auf Gestaltungsregeln, manchmal sind die Aufnahmen etwas schräg oder leicht unscharf. In den Buchläden hier in Reykjavík gibt es schon genug Hochglanzbildbände über Island. Zudem bearbeite ich meine Fotos anschließend eigentlich nur marginal, um so nahe wie möglich an einer Realität bleiben.“

Zum Buch Pictures and their Sound gibt es eine Audio-CD zum Hören der Geräuschkulisse, ©Sabine Burger, Alexander Schwarz, 2014-05-29__MG_8570_00006
Zum Buch Pictures and their Sound gibt es eine Audio-CD zum Hören der Geräuschkulisse, ©Sabine Burger, Alexander Schwarz

Ausschnitt der Realität
„Wobei ein Foto ja immer nur ein optischer Ausschnitt der Realität ist – es gibt ein Darüber und ein Darunter, ein Davor und ein Dahinter und zwei Daneben. Und: Es gibt das Geräusch in dem Moment der Aufnahme. Dieser Aspekt brachte mich dazu, den Fotos mit Geräuschen zu verbinden.
Auf die Möglichkeit dies auch umzusetzen bin ich durch Zufall gestoßen. Ich habe entdeckt, dass meine alte Fotokamera zusätzlich zu den Fotoaufnahmen auch Geräusche aufnehmen konnte. So fing ich an kurze Geräuschsequenzen aufzunehmen, direkt im Anschluss an die Aufnahme des Fotos. Dabei geht es mir nicht darum, eine Szene akustisch zu inszenieren oder auf einen bestimmten Moment zu warten. Was gerade akustisch geschieht in dem Moment, in dem ich fotografiere, ist dann auch tatsächlich zu hören.“

Nur Fotografien zu zeigen ist mir eigentlich zu wenig. So füge ich dem Bild ein Geräusch hinzu, oder schreibe – wie bei meinem Projekt „One Picture Per Day“ –  einen kurzen Beschreibungstext dazu. Ich will einen Mehrwert geben.

Der deutsche Künslter Claus von Sterneck in Island, ©Sabine Burger, Alexander Schwarz, 2014-04-14__MG_4579_00013
Der deutsche Künslter Claus von Sterneck in Island, ©Sabine Burger, Alexander Schwarz

„Was ich an ‚Bild und Geräusch’ interessant finde: Ich hätte ja auch ein Video aufnehmen können. Aber ich glaube nicht, dass der Betrachter bzw- Zuhörer sich das tatsächlich komplett ansieht bzw anhört. Bei „Pictures – and their sounds“ sieht man eine Fotografie, eine Momentaufnahme, einen Bruchteil einer Sekunde, und hört die Zeit – was sich in der Zeit darum herum abspielt und verändert. Das Bild wird lebendiger. Zudem bleibt viel mehr Spielraum für die eigene Fantasie. Bilder vor dem Auge des Zuhörers entstehen – sehen, was in diesen Sekunden vor und nach der Fotografie möglicherweise passiert(e). Oft zeigen sich auf den Bildern scheinbar banale Situationen, eben Momentaufnahmen – mit der gleichzeitigen Geräuschkulisse kann man sich aber plötzlich viel mehr darunter vorstellen. Fotografie und Geräuschkulisse ist für mich mehr und mehr zu einer Einheit zusammengeschmolzen.“

Ein anderes Projekt ist ‚Postcards and Soundcards‘, Postkarten mit Fotos aus Reykjavík und Island (inzwischen 45 verschiedene Motive). Das Besondere an den Soundcards ist, dass auf der Rückseite der Karte ein Link zur einer Webseite angegeben ist, über die man die entsprechende Geräuschkulisse zum Motiv hören kann. Nicht nur ein optischer Gruss aus Island, sondern auch ein akustischer Gruss!“

Blickwinkel
„Mit Blickwinkel meine ich auch den tatsächlichen Blickwinkel. Ich besitze eine kleine Kamera, mit der ich Dinge sehen kann, die mein Auge nicht sehen können, so z.B. das Innenleben eines Altpapier- bzw. Glascontainers. Ich fragte mich, wie es in solch einem Container aussieht – und so hielt ich die Kamera hinein machte und ein Foto. Es ist möglich, Dinge zu sehen, die meinem Auge ansonsten verborgen bleiben. Auch nehme ich oft nur Strukturen, Flächen, Ausschnitte und Details auf. Das ‚Hören’ eines Bildes ist für mich auch ein anderer Blickwinkel, eine andere Dimension.“

Auch 2014 wird es wieder eine Steypa-Ausstellung an gleicher Stelle geben. ©Sabine Burger, Alexander Schwarz, 2014-05-29__MG_8551_00001
Auch 2014 wird es wieder eine Steypa-Ausstellung an gleicher Stelle geben. ©Sabine Burger, Alexander Schwarz

Die Fotografieausstellung Steypa in Djúpavík
„Im Sommer 2013 hatten unter dem Titel Steypa sieben internationale und Isländische Fotografen in einer alten Heringfabrik in Djúpavík (Westfjorde, Strandir Region) ihre Fotografien ausgestellt. Und auch diesen Sommer werden sieben Fotografen ihre Werke zeigen. Das Thema ist Island – wie aber sich die jeweiligen Künstler dem Thema nähern, bleibt aber gänzlich ihnen selbst überlassen.“

Die alte Heringfabrik in Djúpavík ist übrigens ein sehenswerter Ort: Sie wurde 1935 in Betrieb genommen und war damals eines der größten Betongebäude Europas – am Nordwestzipfels Island ohne wirkliche Infrastruktur. Hier gab es unheimlich viel Hering – aber nach 15 bis 20 Jahren war alles schon wieder vorbei. Der Hering blieb aus, ein Hauptgrund war vermutlich Überfischung. Der Ort verarmte, die Fabrik wurde sich selbst überlassen.

200+ pictures und der Zufall
„Für mein Projekt 200+ pictures habe ich durch einen Zufallsgenerator genau 224 Fotos von meiner Homepage ausgewählt und als Bild im Format DIN A5 ausgestellt, dazu eine kurze Beschreibung mit Informationen zum Motiv.

„Zufall spielt für mich eine wichtige Rolle. Hier gibt es keinen vorgefertigten Weg. Es ist auch mein Wunsch, nicht alles durchplanen zu müssen, um einfach flexibler zu bleiben. Vielleicht mag ich ja deshalb auch Island. Isländer planen eigentlich nicht viel. Während meines ersten Sommers im Hotel in Djúpavík habe ich das eine oder andere ‚Problem‘ erwähnt. Aber die Inhaberin meinte nur ‚Ach, das wird schon.‘ Und es wurde auch jedes Mal – entweder hat sich das Problem in Luft ausgelöst oder man entschied fünf vor zwölf was zu tun ist.

Sich nicht zu sehr verplanen lässt Freiraum für andere Aspekte, schafft Platz und gibt mir die Möglichkeit, Dinge neu zu sehen, neues zu Entdecken und mich überraschen zu lassen.“