Augen auf im Straßenverkehr

Die Isländer halten sich im Allgemeinen für ausgezeichnete Fahrer, schließlich kommen sie auch mit den widrigsten Wetterbedingungen zurecht und bewältigen Schotterpisten, Flussfurten und schwer zugängliches Gelände. Während das für einige Fahrer zutreffen mag, hat man als Besucher des Landes doch manchmal Schwierigkeiten mit einigen typischen Gepflogenheiten.

Immer öfter müssen die Hilfsdienste ausrücken, weil, vor allem mit den hiesigen Gegebenheiten eher unerfahrene Fahrer ihre Fähigkeiten hinter dem Steuer falsch einschätzen. ©Sabine Burger, Alexander Schwarz, 2011-04-09_IMG_9055_00123
Immer öfter müssen die Hilfsdienste ausrücken, weil vor allem mit den hiesigen Gegebenheiten eher unerfahrene Fahrer ihre Fähigkeiten hinter dem Steuer falsch einschätzen.

Die gute Nachricht zuerst: Der Verkehr in Reykjavík, sowie im gesamten Land bewegt sich im Allgemeinen relativ gemächlich fort und Staus oder langfristige Verkehrsbehinderungen sind recht selten, vor allem wenn man den Berufsverkehr in einer normalen europäischen Großstadt gewohnt ist. Auch sind die Städte so gebaut, dass dem Auto viel Platz eingeräumt wird. Man kommt mit dem Auto überall hin und kann es immer irgendwo abstellen.

Verkehrsregeln und Ampeln

Eines der größten Probleme für Besucher ist, dass Isländer Verkehrsregeln anscheinend eher als Vorschlag als als gültige Regel betrachten. Besonders an Stellen und zu Zeiten, wo wenig Verkehr herrscht, kommt es schon mal vor, dass jemand an der roten Ampel die Geduld verliert und einfach losfährt. Dasselbe gilt natürlich für Vorfahrtsstraßen etc. Besonders lästig sind auch die „netten“ Fahrer, die z. B. einem Radfahrer den Vortritt lassen, obwohl sie selbst auf der Vorfahrtsstraße fahren, denn es bedeutet, dass man sich nicht auf die Regeln verlassen kann, sondern zusätzlich noch sehr aufmerksam bleiben muss, ob sich andere auch daran halten. Überhaupt hat man mit Radlern noch gewisse Schwierigkeiten. Entweder werden diese gar nicht wahrgenommen und beinahe über den Haufen gefahren, oder Leute haben so großen Respekt vor ihnen, dass sie einen Riesenbogen um Fahrräder machen. Doch kann selten jemand den Platzbedarf und die Geschwindigkeit gut einschätzen. Deshalb fahren viele Radler auch auf dem Gehweg, solange man den Fußgängern dort Vorrang gewährt. Auf den Landstraßen müssen sich Autofahrer und Radler jedoch die Fahrbahn teilen.

Fahrrad(un)weg: Die See hat während eines Sturms Steine auf die Straße gespült. ©Sabine Burger, Alexander Schwarz, 2012-03-15__MG_3871_00007
Fahrrad(un)weg: Die See hat während eines Sturms Steine auf die Straße gespült.

Im eigenen Universum

Manchmal hat man das Gefühl, Fahrer in Island leben in ihrer ganz eigenen Welt. Sie fahren langsam, wenn sie etwas in einer Straße suchen (natürlich ohne Blinker zu setzen o. Ä.), halten mitten auf der Fahrbahn um auszusteigen oder ein Schwätzchen mit einem Bekannten zu halten. Blinker haben eine enorm lange Lebensdauer in Island, weil keiner sie benutzt. Oder man benutzt sie, wenn man schon halb oder ganz abgebogen ist. Wenn Leute Schlangenlinien fahren, bedeutet es meist nicht, dass ein Fahrer betrunken ist, sondern dass der- oder diejenige gerade telefoniert oder SMS-Berichte schreibt. Und dann hat man halt nur eine Hand frei zum Fahren und kann sich nicht auf den Verkehr konzentrieren. Überhaupt fährt man die gewohnten Routen, das heißt, wenn die Stadt Straßenführungen oder etwa die Richtung von Einbahnstraßen ändert, dauert es Wochen, bis sich das eingebürgert hat, weil keiner auf die Schilder guckt, sondern alle auf Auto-Pilot fahren.

Stauverursacher – Auch deshlab ist es in Island anders Auto fahren. Immer wieder laufen oder stehen ausgebüchste Schafe auf der Straße oder rennen unvorsichtigerweise kurz vor einem vor den Wagen!© Sabine Burger, Alexander Schwarz, IMG_3019__2010-06-23_15-11-32_aA
Stauverursacher – Auch deshalb ist es in Island anders Auto fahren. Immer wieder laufen oder stehen ausgebüchste Schafe auf der Straße oder rennen unvorsichtigerweise kurz vor einem vor den Wagen!

Allradantrieb-Geländewagen

Ein lästiges Phänomen im Stadtverkehr sind die übergroßen Geländewagen mit bis zu 47″ Reifen (das ist mehr als 1 m!) und enormem Platzbedarf. Die schaffen es nämlich nicht immer durch etwas kleinere Straßen, was aber niemanden davon abhält, trotzdem dort zu fahren. Da kommt es schon mal vor, dass eine Kurve zu eng genommen wird und dadurch andere Fahrzeuge geschrammt werden. Was den Fahrern dieser Riesenteile nichts ausmacht, höchstwahrscheinlich haben sie den kleinen Ruckler gar nicht bemerkt (ist ja gut gefedert), aber der geschrammte Kleinwagen hat wieder eine ordentliche Beule mehr. Doch alle scheinen das schon so normal zu finden, dass sich fast niemand über Beulen und Kratzer aufregt.

Parken

Die meisten Parkplätze in Island sind äußerst großzügig und doch schaffen es noch viele nicht, das Auto ganz normal in eine Parklücke zu manövrieren. Zum einen bekommt man von nachfolgenden Fahrern tatsächlich nur selten die Gelegenheit, rückwärts einzuparken. Also fahren die meisten vorwärts in eine Parklücke und dann steht eben meist der Kofferraum teilweise auf der Fahrbahn statt in der Parklücke. Zum anderen ist es zweifelhaft, ob man Parken überhaupt in einer isländischen Fahrschule lernt. Vorne und hinten so ein wenig gegen ein anderes Auto anzustoßen, hat ja wohl noch keinem schwer geschadet. Ansonsten reicht es den meisten, ihr Auto andeutungsweise auf einen Parkplatz zu stellen, Hauptsache, man muss nicht weit laufen. Übrigens lohnt es sich, die recht niedrigen Parkgebühren zu bezahlen, denn den ganzen Tag sind Leute unterwegs, die fleißig Strafzettel verteilen.

Stadtwägelchen (man beachte die Reifengröße des Busses zur rechten), ©Sabine Burger, Alexander Schwarz, 2011-04-09_IMG_9011_00080_1
Stadtwägelchen (man beachte die Reifengröße des Busses zur rechten)

Kreisverkehr

Bei einem zweispurigen Kreisverkehr gilt die Regel, dass alle auf ihrer Spur bleiben, wobei man sich von vornherein rechts einordnen würde, wenn man an der ersten Ausfahrt rausfahren möchte und links, wenn man die zweite oder dritte Ausfahrt nehmen möchte. Man kann aber auch auf der rechten Spur durch den gesamten Kreisverkehr fahren. Dann gilt es jedoch zu beachten, dass die Fahrer der rechten Spur den Fahrzeugen auf der linken Spur Vorfahrt gewähren müssen, wenn diese an einer Ausfahrt hinausfahren wollen. Das heißt, dass man auf der rechten Spur eventuell im Kreisverkehr anhalten muss. Das funktioniert besser als man annehmen könnte, auch wenn sich auch hier nur wenige die Mühe machen, ihren Blinker zu nutzen.

Unübersichtliche Stellen und einspurige Brücken

Außerhalb von Städten und Gemeinden gibt es an vielen Stellen unübersichtliche Kuppen, die als  blindhæð ausgeschildert sind. Hier sollte man, besonders wenn es sich um schmale Straßen handelt, langsamer fahren, denn auch wenn man lange keinen anderen Fahrzeugen begegnet ist, kann man darauf wetten, dass einem genau hier ein anderes Fahrzeug entgegenkommt. Teilweise sind Brücken in Island nur einspurig (Einbreið brú). Wer näher dran ist, hat Vorfahrt. Das Fahrzeug  gegenüber wartet in der Einbuchtung. Wer in einspurigen Tunneln (Einbreið göng) Vorfahrt hat, wird normalerweise mit Ampelschaltungen geregelt. Geht die Asphaltstraße in eine Schottenpiste über, dann wird das mit dem Schild Malbik endar angezeigt. Auch dann heißt es natürlich erst mal runter vom Gas. Straßenschilder mit einer englischen Erklärung findet man hier.

Wind

Die Kosten für einen Mietwagen in Island können schon ein ordentliches Loch in der Reisekasse verursachen, doch sollte man auch hier die Vernunft walten lassen und sich sehr gut über die Wetterverhältnisse schlau machen, wenn man mit einem Kleinwagen auf der Insel unterwegs ist. Denn nicht selten werden diese Stadtwägelchen bei stürmischem Wetter wortwörtlich von der Straße geweht und landen dann im Straßengraben. Wenn man Glück hat, ohne sich überschlagen zu haben. Anfällig für plötzliche Windstöße sind im Übrigen auch große Reisebusse und Wohnwagenanhänger.

GPS

Immer wieder hört man in Island Berichte von Fahrern, die an ganz anderen Stellen landen, als ursprünglich vorgesehen. Grundsätzlich kann man sagen, dass isländische Systeme wie auch das isländische Telefonbuch (ja.is), das ebenfalls über sehr gute Karten verfügt, wenig vergebungsgesinnt gegenüber Schreibfehlern sind. Da kann ein verkehrter Buchstabe dann schon mal einen Unterschied von ein paar hundert Kilometern ausmachen. Also am besten man orientiert sich vorher auf einer Papierkarte mal ungefähr, in welche Richtung es geht und wie weit das Ziel entfernt ist. Man braucht diesen Teilen ja nicht alles zu glauben, besonders dann nicht, wenn der gesunde Menschenverstand sagt, dass jetzt etwas wirklich ganz schief läuft. So sind 2016 etwa ein paar Touristen mit ihrem Kleinwagen in einen der größten Flüsse des Landes gefahren, weil Google Maps angezeigt hat, dass die Straße hier weiter geht. Also hier sollte der gesunde Menschenverstand schon zu der Annahme führen, dass man wohl irgendwo falsch abgebogen ist.

Fotomotive

Das Schöne an einer Islandreise ist, dass man fast überall wunderschöne Motive entdeckt. Leider  hat dies durch den zugenommenen Verkehr in den letzten Jahren auch zu vielen gefährlichen Situationen geführt. Auch wenn auf Islands Straßen viel weniger los ist als etwa auf einer deutschen Autobahn, kann man nicht einfach überall mal anhalten, um kurz ein Foto zu machen. Gerade auf den beliebten Strecken (Golden Circle und Südroute) ist es besonders wichtig, so anzuhalten, dass man keine Gefahr für die übrigen Verkehrsteilnehmer darstellt und alle sicher ihre Reise beenden können.

Am besten lässt man sich in Island Zeit zum Fahren, hält gut die Augen auf und denkt auch daran, die anderen Verkehrsteilnehmer nicht zu behindern.