Halla Bogadóttir – die Frau hinter Kraum, dem ältesten Designerladen Reykjavíks

Die Goldschmiedin Halla Bogadóttir ist die Bedenkerin und Mitbegründerin von Kraum. Einem in seinem Konzept einmaligen Laden in Reykjavík. Mit freundlichen Enthusiasmus, gutem Auge und einem sicheren Geschmack leitet sie den besonderen Designerladen im ältesten Haus Reykjavíks.

Im Kraum gibt es ausschließlich isländisches Design. ©Sabine Burger, Alexander Schwarz, 2013-03-20__MG_0020_00004
Im Kraum gibt es ausschließlich isländisches Design.

„Mein Vater war Uhrmacher. Schon als Kind habe ich bei ihm in der Werkstatt und im Laden gestanden. Diese filigrane und kreative Arbeit hat mich schon immer fasziniert. Trotzdem habe ich zuerst ein Studium als Lehrerin gemacht und auch als Grundschullehrerin gearbeitet. Diese Faszination aus meinen Kindertagen hat mich aber nie losgelassen. Und so habe ich mit 1996 mit 40 Jahren meine Ausbildung zur Goldschmiedin abgeschlossen. Für mich war das ein Traum, der wahr wurde. Ab da hatte ich zehn Jahre lang mit meinem Vater zusammen einen Laden auf der Laugavegur.“

„Dann kam mir die Idee, dass es doch fantastisch wäre, wenn Besucher in einem einzigen Laden konzentriert, das Beste sehen und kaufen können, dass isländische Designer zu bieten haben. So haben sich mehrere Designer zu einer Gruppe gebildet. Wir haben uns damals erst ,Independent People‘ genannt, nach einem Buchtitel des Nobelpreisgewinners für Literatur, Halldór Laxness. Damals wurde gerade der internationale Flughafen in Keflavík ausgebaut, und wir bewarben uns dort für eine Ladenfläche. Der Flughafen hat sich aber nicht für uns entschieden.“

Isländisches Design auf zwei Etagen im Kraum, ©Sabine Burger, Alexander Schwarz, 2013-03-20__MG_0026_00007
Isländisches Design auf zwei Etagen im Kraum

„Zur gleichen Zeit wurde das Haus, in dem Kraum jetzt untergebracht ist, von Grund auf renoviert. Es ist das älteste, noch existierende Haus in Reykjavík. Und es ist eigentlich der perfekte Ort für uns. Dieses Haus wurde 1762 als Wollfabrik gebaut, um Kleidung für die Isländer herzustellen. Damals hatte Skúli Magnússon die initiative ergriffen, um den dänischen Kolonialherren das Recht abzuringen, dass die Isländer selbst eine kooperative Produktionsstätte haben dürften. Unsere Idee, um hier Kleidung, Schmuck und Handwerkskunst auszustellen und zu verkaufen, bringt dieses Gebäude wieder sehr nahe an seinen ursprünglichen Bestimmung heran. Auch insofern sitzen wir hier an einem Ort, der besser nicht sein könnte. Und so können unsere Besucher in diesem historischen Holzhaus, in einem einzigen Laden das Beste des isländischen Designs bewundern. So erhält man in kurzer Zeit einen sehr guten Überblick und spart Zeit. Außerdem können sich unserer Kunden sicher sein, dass wir ausschließlich Produkte von isländischen Designern im Programm haben.“

Kraum gibt es seit dem 31. Mai 2007. Anfangs haben wir Produkte von 60 verschiedenen Designern verkauft. Es gab ein Komitee, dass von den über 100 Designern, die sich beworben hatten, um bei uns ihre Produkte verkaufen zu dürfen, die besten ausgewählt.“

Halla Bogadóttir, die den Kraum-Stein ins Rollen brachte und noch immer rockt. ©Sabine Burger, Alexander Schwarz, 2013-03-20__MG_0066_00029
Halla Bogadóttir, die den Kraum-Stein ins Rollen brachte und noch immer rockt.

„Ein halbes Jahr später begann schon die Wirtschaftskrise. Für uns bedeutete das eine regelrechte Explosion an Angeboten von Designern. Architekten und andere, die von heute auf morgen ihren Job verloren hatten, besannen sich wieder auf ihre Wurzeln und entwarfen schöne und nützliche Dinge. Die Krise hat also auch sehr viel kreatives Potential frei gemacht. In der Zwischenzeit verkaufen wir Artikel von 200 Designern, und wählen noch immer aus, wen wir hier aufnehmen und wen nicht.“

„Vor der Krise haben die Leute nicht mehr über Geld nachgedacht – sie haben es einfach ausgegeben. Jetzt müssen sie schon darüber nachdenken, wofür sie ihr Geld ausgeben. Heutzutage kaufen die Leute zwar noch immer Designersachen, aber mehr nützliche Dinge als etwas was man nur auf den Kaminsims stellt. Gleich zu Anfang der Krise haben wir sogar besser verkauft als davor! Zum einen kommen seitdem mehr Besucher in die Stadt, die isländische Krone ist jetzt für Leute die von Außen kommen viel billiger als sie früher war. Zum anderen haben die Isländer das ganze Vertrauen in die Banken verloren. Deshalb haben sie ihr Geld lieber ausgegeben, als es auf der Bank zu lassen. Für uns war die Krise erst 2010 negativ spürbar. Die Inflation, eine Folge der Krise, machte sich dann bemerkbar. In der Zwischenzeit geht es aber wieder deutlich besser.“

Im Laufe der Krise haben mehrere Leute versucht, unser Kraum-Konzept zu kopieren. Es hat aber keiner hingekriegt. Wir haben es geschafft, unserem Grundgedanken treu zu bleiben: Bei uns findet man ausschließlich Design von isländischen Designerinnen und Designern. Dabei wählen wir nach Qualitätsmerkmalen aus. Dieses Konzept macht uns stark.“

Kraum eigenes Design: die Laufabrauðsjárn, um nach alter Tradition das Blattbrot (Laufabrauð) zu backen. ©Sabine Burger, Alexander Schwarz, 2013-03-20__MG_0038_00010
Kraum eigenes Design: die Laufabrauðsjárn, um nach alter Tradition das Blattbrot (Laufabrauð) zu backen.

„Außerdem sind wir gerade dabei, Kraum noch anspruchsvoller werden zu lassen. Wir lassen jetzt auch Dinge exklusiv für uns entwerfen, die man dann auch nur hier kaufen kann. Ein erstes Beispiel von ,Kraum exclusive‘ ist auch gleich ein sehr isländisches. Zu Weihnachten wird in Island in fast jeder Familie Laufabrauð, das Laubbrot gebacken. Das ist ein flaches, rundes Brot in der Form eines Pfannkuchens, dass letztendlich frittiert wird. Hierfür gibt es spezielle Pfannen, die Laufabrauðsjárn. Aber irgendwie gab es niemanden mehr, der diese Pfannen herstellte, außer zwei Männern, die die 80 schon überschritten hatten. So haben wir uns entschlossen, Tradition mit modernem Design zu verbinden und selbst eine Pfanne für das Laufabrauð zu kreieren. Das Laufabrauð wird, mit Hilfe eines Laufrads, mit Mustern verziert. Das ist in jedem isländischen Haushalt eine lange Tradition und ein sozialer Höhepunkt im Jahr. Man kommt zusammen, backt das Brot und dann machen alle Muster in den ausgerollten Teig. Wir Isländer lieben diesen urgemütlichen Familientag in der Küche so kurz vor Weihnachten.“

„Ich kreiere selbst keine eigenen Dinge mehr. Aber das macht gar nichts. Mir macht es einfach unglaublich Spaß, diesen Laden zu führen, mich mit all diesen schönen Sachen zu umgeben, mit meinen Kunden ein Gespräch zu führen, sie zu beraten. Eigentlich kann man wohl sagen, ich gebe diesem Laden hier Form. Insofern, bin ich noch immer als Designerin aktiv. Als wir Kraum gegründet hatten, hatten wir natürlich auch jemanden nötig, der den Laden führt, und ich freue mich noch immer sehr, dass ich das geworden bin. Damals war ich Vorsitzende des Goldschmiedeverbands (1997–2004) und in dieser Funktion wurde ich in den Vorstand der Isländischen Industrieverbands gewählt (2002–2006) – als erste Frau in Island überhaupt. Das kommt mir in dieser Arbeit natürlich sehr zugute. Ich kenne sowohl die Seite der Kreativen als auch die unternehmerische, kommerzielle.“

Im Kraum gibts ein reichhaltiges und weites Spektrum isländischen Designs zu bewundern. ©Sabine Burger, Alexnader Schwarz, 2013-03-20__MG_0015_00001
Im Kraum gibts ein reichhaltiges und weites Spektrum isländischen Designs zu bewundern.

„Kraum gehört 30 Designerinnen und Designern. Gemeinsam mit zwei Investoren haben wir das hier auf die Beine gestellt. Das ist doch grandios! Wir sind ein richtiges, professionelles Geschäft. Und wir haben ein wichtiges Prinzip, dass so fast nirgendwo gehandhabt wird: Wenn wir Produkte in unseren Laden stellen, zahlen wir den Designer auch gleich dafür. Alles, was man man bei uns sieht und kaufen kann, steht hier also nicht auf Kommission, wobei der Produzent sein/ihr Geld erst im Erfolgsfalle, sprich Verkauf, vielleicht erst Monate später bekommt.“

„Als ich als Goldschmiedin angefangen habe, und meine Produkte in Läden bringen wollte, nahmen sie meine Sachen nur auf Kommission. Das ging allen isländischen Künstlern so. Obwohl die Läden alle ausländische Ware sofort bezahlen mussten. Diese Ungerechtigkeit hat mich wirklich aufgeregt, deshalb haben wir das bei Kraum von Anfang an anders gemacht. Für Designer ist es einfach unheimlich wichtig, für ihre Produkte auch bezahlt zu werden. Sonst kann man ja nicht damit weitermachen neue Dinge zu bedenken und herzustellen. Unser Konzept macht für unsere Kunden und Designer einen Riesenunterschied und darauf sind wir stolz.“