Der höchste Wasserfall Islands: Glymur

Abseits der Hauptverkehrsader des Landes, der Ringstraße 1, kann man so manche Naturperle entdecken. Nur eine Autostunde nördlich von Reykjavík, im Inneren des Hvalfjörður, befindet sich ein wahres Paradies für Wanderer. Dort stürzt sich der höchste Wasserfall Islands 196 Meter tief in eine enge Schlucht, bei der man den Boden nur erahnen kann. Der Wasserfall heißt Glymur und bedeutet „Der Tosende“. Zurecht, wenn man das Naturschauspiel mit eigenen Augen gesehen hat.

Ein erster Blick auf den Glymur, ©Sabine Burger, Alexander Schwarz, 2012-06-05__MG_9846_00029
Ein erster Blick auf den Glymur

Die Schotterstraße endet unverhofft auf einem kleinen Parkplatz, von wo man einen fantastischen Blick auf die bewaldeten Hänge und steilaufragenden Berge hat. Den Hvalfjörður im Rücken wandern sie das erste Stück gemütlich durch Lupinenfelder, passieren kleine Waldstücke und Wiesen. Der Weg ist am Anfang deutlich mit gelben Steinen ausgeschildert, wird jedoch im weiteren Verlauf der Wanderung manchmal undeutlich, oft gibt es auch mehrere Möglichkeiten, um zum selben Ziel zu gelangen.

An manchen Aussichtsstellen sollte man der Höhenangst nicht allzu sehr zugetan sein. ©Sabine Burger, Alexander Schwarz, 2012-06-05__MG_9933_00089
An manchen Aussichtsstellen sollte man der Höhenangst nicht allzu sehr zugetan sein.

Schon bald gelangen Sie an eine Felskante und erblicken in zehn Metern Tiefe einen recht breiten Fluss, der den Namen Botnsá trägt. An dieser Stelle bietet sich für Wanderer die eher keine Höhenangst haben die Gelegenheit, auf einen schmalen Aussichtsfelsen zu laufen und das Panorama zu genießen. Die Fortsetzung des Weges führt durch eine kleine Höhle, die nur wenige Meter vom Aussichtsfelsen entfernt ist. Es ist spannend und abwechslungsreich zugleich, das kurze Stück durch die Höhle zu laufen (man kann außer beim Eingang aufrecht gehen) und somit hinunter zum Fluss zu gelangen. Durch die vielen Felslöcher und Arkaden strömt genug Tageslicht in die Höhle, um dem Weg ohne Probleme folgen zu können.

Anschließend folgen Sie dem Uferpfad flussaufwärts durch einen niedrigen, jedoch dicht bewachsenen Birkenwald. Nach nur hundert Metern werden Sie eine Brücke vorfinden, die aus einem dicken Baumstamm und einem Stahlkabel zum Festhalten besteht. Obwohl diese Konstruktion abenteuerlich aussieht, ist die Überquerung des Flusses unkompliziert. Vorsicht ist jedoch bei Regen geboten, weil der Baumstamm rutschig sein kann. Achtung: Im Winter wird diese Behelfsbrücke entfernt.

Der Glymur stürzt über Kaskaden in eine tiefe Schlucht. ©Sabine Burger, Alexander Schwarz, 2012-06-05__MG_9901_00066
Der Glymur stürzt über Kaskaden in eine tiefe Schlucht.

Auf der anderen Seite angekommen, führt der Pfad den Hang hinauf. Hier wird es ein kurzes Stück des Weges etwas steiler und steiniger. Den Aufstieg bewältigt, laufen Sie nun die letzte Etappe des Hinwegs am Rand der Schlucht entlang, in die der Wasserfall Glymur hinabstürzt. Auf diesem Stück sind noch einige Höhenmeter zurückzulegen, jedoch wird mit dem Fortschreiten des Weges der Ausblick immer beeindruckender. An zahlreichen Aussichtspunkten kann man den gewaltigen Wasserfall bestaunen und in den steilen Schlund der Schlucht schauen.

Am letzten Aussichtspunkt haben Sie einen eindrucksvollen Blick auf die tosenden Wassermassen des Glymur, die 196 Meter in die Tiefe stürzen. Dort können Sie die Wanderung beenden und sich auf den Heimweg machen, wenn Sie sich an diesem Naturschauspiel sattgesehen haben. Für die Wanderer, die nach mehr Abenteuer streben, geht der Weg an dieser Stelle aber noch weiter.

Gletscherwasser ist auch im Sommer eis- und eiskalt. Am Sichersten meistert man die Flussüberquerung mit Wanderstab und Badeschlappen oder Wasserschuhen. ©Björn Kozempel, 2012-06-05_IMG_8516_00002
Gletscherwasser ist auch im Sommer eis- und eiskalt. Am Sichersten meistert man die Flussüberquerung mit Wanderstab und Badeschlappen oder Wasserschuhen.

Am Wasserfall vorbei laufen Sie noch zirka einhundert bis zweihundert Meter flussaufwärts. Der Fluss wächst hier auf eine Breite von achtzig bis hundert Metern an. Zudem wird er flach genug, um die Hosen hochzukrempeln und ihn zu überqueren. Im Frühjahr kann der Wasserstand noch recht hoch sein. Man ist jedoch auf der sicheren Seite, wenn man weiter flussaufwärts läuft. Bei der Überquerung waten Sie teilweise knietief im eiskalten Wasser, was einige Überwindung kosten kann. Sandalen und Wanderstöcke erleichtern diese Prozedur und die Sicherheit um ein Vielfaches, da das Flussbett steinig und vor allem rutschig ist.

Auf der anderen Seite folgen Sie dem Weg die Schlucht entlang zurück ins Tal. Dabei durchqueren Sie einen urtümlichen Birkenwald mit nur wenig Unterholz, verschlungenen Wegen und gemütlichen Lichtungen, die zum Picknick einladen. Schließlich treffen Sie erneut auf den Weg, der zum Parkplatz führt.

Autor: Björn Kozempel, Mountain Guide