Die unbändigen Naturkräfte Islands

Der tragische Tod einer deutschen Touristin an der Südküste Islands gestern Mittag ist uns Anlass der Trauer und Warnung. So sei an dieser Stelle nochmals darauf hingewiesen: Man sollte die Naturgewalt in Island nie unterschätzen.

Fahrradweg nach einem Sturm: Das Meer hat Steinbrocken aus dem Damm in Reykjavík auf die Straße gespült. ©Sabine Burger, Alexander Schwarz, 2012-03-15__MG_3871_00007
Fahrradweg nach einem Sturm: Das Meer hat Steinbrocken aus dem Damm in Reykjavík auf die Straße gespült. ©Sabine Burger, Alexander Schwarz

Auch auf den ersten Blick unschuldige Stellen oder Situationen können sich im Handumdrehen in lebensbedrohende Situationen umkehren. Das kann sein durch sich plötzlich – und mit plötzlich ist gemeint binnen einiger weniger Minuten! – sich vollkommen verändernde Wettersituationen. Als Beispiel möge dienen: Die Esja, der Hausberg Reykjavík, den man von der Stad aus sieht, kann innerhalb von nur 2(!) Minuten gänzlich im Nebel verschwinden. Der Berg ist 914 Meter hoch! Wenn man dann dort gerade wandert, sieht man im wahrsten Sinne des Wortes seine eigene Hand nicht mehr vor den eigenen Augen. Wie gesagt: Im wahrsten Sinne des Wortes! Das bedeutet, dass man sich an nichts mehr orientieren kann und man beim nächsten Schritt vielleicht schon stolpert oder ins Leere tritt.

Warnhinweise sollte man respektieren. Kein Foto ist es wert, mit dem Leben zu bezahlen. ©Sabine Burger, Alexander Schwarz, 2016-08-06_L1000362_00313
Warnhinweise sollte man respektieren. Kein Foto ist es wert, mit dem Leben zu bezahlen. ©Sabine Burger, Alexander Schwarz

Es passiert leider auch immer wieder, dass Menschen von Klippen fallen. Dies kann durch einen plötzlichen Windstoß geschehen. Oder man tritt auf eine von den Papageitauchern gebaute Bruthöhle unter der Oberfläche, verliert das Gleichgewicht und stürzt.
Man sollte also am besten auf dem Bauch Richtung Klippenrand rutschen – und vor allem nicht darüber hinweg. Am Látrabjarg in den Westfjorden zum Beispiel wird bei den Klippen eine Linie auf dem Boden gezogen, die man also besser nicht überschreitet.

Und man sollte an Orten, an denen tatsächlich Hinweisschilder angegeben sind, diese auch respektieren. Es gibt kaum Hinweisschilder auf Island. Dort, wo welche stehen, bedeutet dies also, dass es an diesen Orten noch gefährlicher sein kann, als es an den anderen sowieso schon ist.

Beim Geysir und allen anderen geothermalen Feldern kann ein falscher Schritt irreparabee Folgen nach sich ziehen. ©Sabine Burger, Alexander Schwarz, 2016-06-05_L1060104_00046
Beim Geysir und allen anderen geothermalen Feldern kann ein falscher Schritt irreparabele Folgen nach sich ziehen. ©Sabine Burger, Alexander Schwarz

Wenn ein Isländer, eine Isländerin zu Ihnen sagt, Sie sollten sich „vielleicht überlegen“, da oder dort heute nicht hinzugehen, oder mit dem Auto aus der Stadt zu fahren, dann bedeutet das übersetzt: Auf gar keinen Fall!! Bitte beachten Sie diesen interkulturellen Unterschied. Isländer verbieten normalerweise nicht, sie geben eher Ratschläge und Hinweise.

Und immer dran denken: Kein einziges Foto auf der Welt ist es wert, dafür zu sterben!

Die Küsten Islands können einen extremen Wellengang und -hub haben. Die Tiden haben an einigen Stellen mehrere Meter Höhenunterschied. Der Unterstrom kann extrem stark sein. Das Meer ist besonders an der gesamten Südküste Islands sehr wild. Warum wohl sollte eine Seefahrernation und ein Volk von Fischern in ihrer gesamten Siedlungszeit praktisch keine Häfen an der Südküste gebaut haben? Schon die ersten Wikinger sind um die Südküste herum gesegelt, weil der Wellengang dort einfach zu heftig war, um sicher anzulanden.

2011 wurde mittels den Wellenbrechern versucht, den Wellengang vor dem Ort Vík í Mýrdal etwas einzudämmen. Auch Trolle mussten der Urkaft des Meeres Tribut zollen: Bei der Gesteinsformation im Hintergrund handelt es sich um ein Trollschiff, dass vor langer Zeit zu spät in den Berg zurückwollte. Sind Trolle aber vor Aufgang der Sonne nich tim Berg verschwunden, werden sie selbst zu Stein. ©Sabine Burger, Alexander Schwarz, 2011-07-07__MG_2424_00023
2011 wurde mittels den Wellenbrechern versucht, den Wellengang vor dem Ort Vík í Mýrdal etwas einzudämmen. Auch Trolle mussten der Urkaft des Meeres Tribut zollen: Bei der Gesteinsformation im Hintergrund handelt es sich um ein Trollschiff, dass vor langer Zeit zu spät in den Berg zurückwollte. Sind Trolle aber vor Aufgang der Sonne nicht im Berg verschwunden, werden sie selbst zu Stein. ©Sabine Burger, Alexander Schwarz

Die Küste rund um Vík í Mýrdal und mit ihr der Strand Reynisfjara, ist dabei besonders berüchtigt. Sie ist prächtig anzuschauen mit ihrem ausgedehnten schwarzen Sandstrand, ihren Felsen im Wasser, ihren Klippen, mit dem ins Wasser ragenden Felsen Dyrhólaey. Dies ist aber auch einer der gefährlichsten Strände der Insel.
Zwar werden seit mehreren Jahren schon Versuche unternommen, dass Meer zum Strand hin etwas einzudämmen. Aber, die Natur in Island gewinnt immer.
Der Unterstrom an dieser Küste ist extrem stark. Außerdem können hier sehr unterschiedlich große Wellen aufeinander folgen, so dass man, selbst wenn man nicht direkt am Wasser geht, trotzdem völlig unerwartet von einer Welle erfasst und mitgespült werden kann.
An der Küste um Vík wurden deshalb Warnschilder aufgestellt.
In dieser Gegend haben sich in den letzten Jahren schon mehrere schwere Unfälle ereignet. Meist konnten die Menschen noch gerettet werden. Aber nicht immer.

Und leider auch nicht gestern Mittag, als eine deutsche Touristin hier ihr Leben lassen musste. Wir wissen noch nicht genau, was geschehen ist. Bisher scheint klar, dass sie von den Wellen mitgerissen wurde und leider, trotz des eingesetzten Helikopters, nicht mehr rechtzeitig aus dem Wasser geborgen werden konnte.

Wir bedauern diesen tragischen Vorfall und den Tod der deutschen Touristin sehr und sprechen ihren Angehörigen, Freunden und Nächsten unsere Teilnahme aus!

Leider verunglücken immer wieder Touristen in Island, wie hier zwei Deutsche auf einem Gletscher. ©Sabine Burger, Alexander Schwarz, 2013-04-03__MG_2373_00405
Leider verunglücken immer wieder Touristen in Island, wie hier zwei Deutsche auf einem Gletscher. ©Sabine Burger, Alexander Schwarz

Deshalb hier und heute auch unsere erneute Warnung.
Islands Natur ist wunderschön – aber das Klima und das Wetter sind nun mal extremer, wesentlich extremer als das Mitteleuropäer gewohnt sind.
Island ist kein Vergnügungspark! Bereiten Sie sich sorgfältig vor!

Das fängt schon mit einem einfachen Beispiel beim Packen an: Wenn Sie sich überlegen, eine Jeans mitzunehmen und nicht nur Reykjavík bleiben möchten: Hören Sie auf zu packen und lesen Sie ihren Reiseführer nochmal gut durch! Jeans werden, wenn sie nass werden, und das werden sie auf Island ziemlich schnell, ziemlich schwer und ziemlich kalt. Mit anderen Worten: Zu 99% sind sie völlig unbrauchbar in der Natur Islands.

Die schiere Größe eines Gletschers: Im Bild links befindet sich eine Gruppe von 14 Personen. ©Sabine Burger, Alexander Schwarz, 2013-04-03__MG_2270_00328
Die schiere Größe eines Gletschers: Im Bild links befindet sich eine Gruppe von 14 Personen. ©Sabine Burger, Alexander Schwarz

Schon Autofahren kann gänzlich anders sein als zu Hause. Isländer/innen fahren noch Auto, wenn es in Mitteleuropa schon längst Sturmwarnung gäbe. Auch wenn der Schnee noch so hoch und das Eis noch so blitzeblank spiegelt, setzen sich Isländer/innen noch ins Auto. Sie sind diese Verhältnisse gewohnt, sie haben oft auch die entsprechenden Autos (große Geländewagen mit Vierradantrieb und extrem großen Reifen mit Spikes). Aber schon das Fahren auf einer Piste ist etwas anderes als auf einer asphaltierten Straße. In jedem Auto sollten sich befinden: ein Spaten, Decken für alle Insassen, genügend Wasser. Außerdem sollte der Tank immer mehr als halbvoll sein.

Turmhohe Naturgewalt – Wellenbruch bei Hellissandur, Snæfellsnes. ©Sabine Burger, Alexander Schwarz, 2016-12-10_L1060385_00216
Turmhohe Naturgewalt – Wellenbruch bei Hellissandur, Snæfellsnes. ©Sabine Burger, Alexander Schwarz

Gehen Sie nie ohne professionelle Begleitung auf einen Gletscher. Auch nicht für drei Meter. Sowieso ist das Gehen auf Eis ohne Eiskrallen und Pickel ein halsbrecherisches Unterfangen. Für den, der das Eis nicht lesen kann, kann Eis zu einer verräterischen Falle werden. Wenn Sie einbrechen, wird Hilfe Holen schwierig. Und steckt man erstmal mehrere Meter in einem Gletscherloch, kann auch der Mobilfunkempfang, mit dem man Rettung herbeiholen könnte, zum Problem werden.

Ihr Mobiltelefon sollte immer so voll wie möglich geladen sein. An manchen Stellen in Island (zum Beispiel im Hochland), gibt es aber keinen Empfang.

Vík í Mýrdal an einem ruhigen, sonnigen Tag im September 2006, lange bvor die Wellenbrecher ins Meer gelassen wurden. ©Sabine Burger, Alexander Schwarz, Island - Iceland 2006 09
Vík í Mýrdal an einem ruhigen, sonnigen Tag im September 2006, lange bvor die Wellenbrecher ins Meer gelassen wurden. ©Sabine Burger, Alexander Schwarz

Diese wenigen, kurzen Beispiele mögen als Hinweis darauf dienen, dass man sich, wenn man nach Island reist, tatsächlich aus seiner westeuropäischen Komfortzone begibt. Hier gilt: die Natur ist Chef! Durch die Jahrhunderte sind immer wieder Menschen den Naturgewalten zum Opfer gefallen. Heutzutage haben wir viel mehr Möglichkeiten, den Naturgewalten zu begegnen. Aber ohne jahrelange Erfahrung bleibt Island mit seiner gewaltigen Natur eine Herausforderung.

Hören Sie darauf, was die Einheimischen sagen! Gehen Sie nie bis zum Äußersten! Wenn Sie auf eine Tour gehen, melden Sie sich ab in ihrer Unterkunft oder sagen jemand anderem Bescheid: Wo Sie hingehen und wann sie wieder zurück sind. Sie können dies auch mittels der 112 App der Rettungswacht tun.

Genießen Sie Islands Natur und seien sie vorsichtig, bereiten Sie sich vor, denken Sie voraus, hören Sie auf Einheimische, benutzen Sie ihren gesunden Menschenverstand, lesen und respektieren Sie Warnhinweise und nochmals: Seien Sie vorsichtig. Ja, in Island kann es aufgrund der Naturgewalten immer zu Überraschungen kommen. Seien Sie so gut wie möglich dafür gerüstet.