Arnaldur Indriðason – Eiseskälte

Erlendur hält es nicht mehr aus. Er will endlich Gewissheit darüber, was an jenem Tag geschah, als sein Bruder im Schneesturm umkam, und dieses Ereignis sein Leben so nachhaltig prägte. Aber Erlendur wäre nicht Erlendur, wenn er auch nicht auch noch seine Spürnase in einen anderen, dramatischen Todesfall aus dem Januar 1942 stecken würde. Ein Cold case wie er im isländischen Winter der Ostfjorde nicht kälter daherkommen könnte. Eiseskälte ist der elfte Kriminalroman der Erlendur-Reihe.

Arnaldur Indriðason, ©Sabine Burger/Alexander Schwarz
Arnaldur Indriðason

Nach Kälteschlaf und Frevelopfer, den beiden letzten Büchern von Arnaldur Indriðason, in denen Erlendurs Kollegen Sigurður Óli beziehungsweise Elíngborg in Reykjavík ermittelten, steht in Eiseskälte wieder Erlendur Sveinsson im Mittelpunkt des Geschehens. Alle drei Bücher spielen zeitgleich, können aber ohne Verlust und Probleme für sich gelesen werden.

Erlendur mietet sich einen Jeep und fährt von Reykjavík ans andere Ende der Insel in die Ostfjorde. Dahin, wo er als Kind aufwuchs – bis sein Bruder bei einem furchtbaren Schneesturm an seiner Seite das Leben verlor. Erlendur will endlich wissen, was damals genau vorgefallen ist. Noch immer versteht er nicht, wieso er überlebt hat, sein Bruder aber nicht. Warum sein Vater sie nicht retten konnte, warum er überhaupt mit ihnen losgesogen ist. Aber seine Eltern sind beide schon lange tot, die kann er nicht mehr fragen. Und so fährt er auf den ehemaligen Hof seiner Eltern, der seit ihrem Wegzug kurz nach dem Unglück nie mehr bewohnt wurde und richtet sich dort notdürftig ein.

Er trifft Bóas, den Jäger, der ihn mitnimmt auf die Jagd. Ein Fuchs reisst Schafe in der Gegend. Bóas jagt nur, wenn er muss, hat keine Hast, hat Respekt hat vor seinem Gegenüber, fast so wie Erlendur wenn er in der Hauptstadt seine Schlinge immer enger um den Täter zieht. Als sie endlich im Hochland im Nebel vor dem Fuchsbau warten, sagt Bóas ihm, dass er sich noch an ihn als Kind erinnert, dass er mitgeholfen hat bei der Suche nach seinem Bruder.

Arnaldur Indriðason – Eiseskälte, Buchumschlag, ©Sabine Burger, Alexander Schwarz, 2012-11-15__MG_5394_00002
Arnaldur Indriðason – Eiseskälte, Buchumschlag

Und er erzählt ihm auch von 60 britischen Soldaten, die eine Zeit lang während des Zweiten Weltkriegs auf Island stationiert waren, und von denen einige während eines ebenso heftigen Sturms umgekommen waren (übrigens ist dies eine wahre Begebenheit, die der Autor in das Buch engeflochten hat, siehe unser Interview mit Arnaldur). Und von Matthildur, einer Frau aus der Gegend, die am selben Tag von der anderen Richtung her kommend, den Pass überqueren wollte und danach nie mehr gesehen wurde. An das Ereignis mit den Soldaten kann sich Erlendur noch aus seiner Kindheit erinnern, an Matthildurs Verschwinden nicht.

Seine Neugierde ist geweckt. Wie sein Bruder, wurde auch sie nicht mehr gefunden. Und so verbindet er die Suche nach den beiden Todesfällen gleich miteinander. Nicht immer stößt er dabei auf Gegenliebe in seinen Ermittlungen. Manche Bewohner wollen die alten Schmerzen nicht wieder fühlen müssen. Und es gibt wohl mehr Geheimnisse und Seilschaften als Erlendur in dieser einsamen Gegend erwartete.

Viel zu lange hat sich Erlendur darum gedrückt, sich selbst mit der Wahrheit zu konfrontieren. Jetzt ist es endlich an der Zeit. Erlendur will Frieden schließen mit seinem Kindheitstrauma. Und er kommt dahinter, dass das Verschwinden von Matthildur für einige hier auch ein Trauma ist. Sein Sturkopf und seine Geduld bringen ihn immer weiter ans Ziel. Und seine Wanderungen ins Hochgebirge in eine lebensbedrohliche Situation.

Arnaldur Indriðason ist mit Eiseskälte ein großartiger Kriminalroman mit dichter atmosphärischer Spannung im winterlichen Island gelungen. Er ist und blebt der wahre Meister seines Fachs.

Zum Interview mit Arnaldur Indriðason gehts hier: Interview Arnaldur Indriðason

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